Die Philosophie des Clown, eine Phänomenologie des Scheiterns

Die Philosophie des Clown, eine Phänomenologie des Scheiterns

Clown

DIE POESIE DES UNVOLLKOMMENEN

Clown

Und hier sind wir endlich bei der Philosophie des Clowns, der Poesie des Unvollkommenen, der Phänomenologie des Scheiterns.

Einige Grundsätze möchte ich hier aufzählen.

  • Platon sagt, wir leben, solange wir staunen können.
  • Clowns machen das, was man als Kind nie machen durfte!
    „Geh ordentlich!“ „Steh gerade!“ „Mach keinen Lärm!“ „ Zieh Dich ordentlich an!“ etc.
    Die Komik des Clowns setzt dort an, wo die Erziehung des Menschen noch nicht eingesetzt hat. Der Clown bricht diese Tabus und weckt damit die unbewussten Konditionierungen unseres Gehirns aus der analen Phase – wir identifizieren uns ganz, ganz tief drinnen in unserem Unbewussten mit dem Clown, der sich traut, diese Tabus spielerisch zu brechen, – weil wir in diesem Spiel das Paradies der Unschuld wiedererkennen, in dem wir zu Hause waren, bevor man uns die Erkenntnis von Gut und Böse, Reinheit und Schmutz, Höflichkeit und Unhöflichkeit beibrachte.
    Clown

 

  • Ein Clown darf niemals ignorieren, wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert. Etwas fällt herunter, ein Zuschauer kommentiert die Vorstellung, draußen fährt eine Rettung vorbei – der Clown muss immer sofort mit so einer perfekten Pointe darauf reagieren, dass sich die Leute fragen: „Hat er selbst die Rettung angerufen, damit sie gerade JETZT vorbei fährt – denn wäre sie 1 Minute früher vorbei gefahren, hätte diese ganze Nummer nicht funktioniert.“
  • Der Clown spielt nie für ein Publikum, er spielt MIT dem Publikum. Er schafft einen Kontakt mit jedem einzelnen, jede Reaktion des Publikums kann eine Wendung des Spiels bewirken. Er macht seine Erfahrungen mit dem Publikum und komponiert das Stück mit dem Publikum gemeinsam. Ein gutes Clownstück funktioniert wie ein Uhrwerk. Das Lachen des Publikums ist Teil dieses Uhrwerks.
  • Der Clown handelt immer aus bestem Willen. Er will alles perfekt machen, er liebt alles, er parodiert nie. Er macht nie Späße auf Kosten anderer. Und hier ist Karl Kraus einmal richtig zitiert: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint!“
  • Ein Clown will einen Salto machen. Er kommt siegessicher auf die Bühne – und vermasselt gerade das, was er am besten kann, sein Kunststück, es gelingt nicht, dann erschreckt ihn etwas und er macht einen Salto, ohne es zu merken. Beides ist lustig – wenn er es aber NIE schaffen würde, dann ist es eine Tragödie!

Clown

  • Der Misserfolg, auch liebevoll Mister Flop genannt, schwebt bedrohlich wie ein Todesengel über dem Clown. Wenn er keinen Erfolg hat, wenn die Leute nicht lachen, übernimmt Mister Flop die Bühne – und bringt gleich seine ganze Familie mit…
  • Die Clowns unterscheiden sich von Schauspielern darin, dass sie nie vorgeben etwas zu sein, was sie nicht sind. Sie nehmen nie Haltungen oder Rollen an, sondern sie sind Dichter und Darsteller zugleich. Sie haben nie die geringste Distanz zu ihrem Handwerk, ihrer Arbeit, ihrem Körper, ihrer Kunst, sie SIND ganz sie selbst. Ein guter Clown hat immer echte, große Probleme und findet immer Lösungen, die völlig absurd sind – aber wenn es dann klappt, liebt ihn das Publikum gerade deshalb. Mit je weniger Problemen ein Clown an einem Abend auskommt, desto besser ist er. Der beste Clown hat nur ein einziges Problem: sich selbst. Wenn er dieses am Ende löst, wird er zum Meister des Unmöglichen.

DER CLOWN IN DER GESELLSCHAFT

ClownDer Clown steht am Rande der Gesellschaft, weil er ihr wirkliches Zentrum ist. Hinter der Kunst eines Clowns muss immer eine Ideologie stehen. Die Aufgabe des Clowns war es immer, wie später die der Soziologen, gesellschaftliche Vorgänge sichtbar zu machen und der Psychologen, menschliche Reaktionen zu analysieren. Er kann den Menschen die Angst nehmen, weil er ihnen ihre Reaktionen vor Augen führte und so die Zukunft berechenbar machte – die Ur-Aufgabe der Wissenschaft! So ist es auch ganz logisch, dass den Clowns in den frühen Kulturkreisen eine Mittlerrolle zwischen den Menschen und den Göttern zugefallen ist. Hermes ist der Gott der Clowns mit seinem Stab, immer unterwegs, nirgends zu Hause aber überall willkommen. Ein wichtiger Aspekt ist die Arbeit der Clowns in Spitälern mit kranken Kindern, aber auch in geriatrischen Heimen und Krankenhäusern. Ihre Hauptaufgabe ist es, den Kindern die Angst zu nehmen, dadurch ihren Heilungsprozess zu erleichtern und zu beschleunigen, sie zu fordern und ihnen Alternativen aufzuzeigen.

DER CLOWN UND DER TOD

Clown

Clown und Tod waren immer schon Todfreunde. Der Clown spielt mit dem Tod, er umarmt ihn, er stirbt in der Manege, wird auf einer Bahre unter einem schwarzen Tuch hinaus getragen, taucht plötzlich wieder hinter den Trägern auf und torkelt bei einer chopinartigen Trauermusik wild gestikulierend und lautstark weinend als einziger Trauergast hinter seiner eigenen Leiche her.

„Das Leben ist nur ein wandelnder Schatten, ein armseliger Komödiant, der sein Stündchen auf der Bühne Kapriolen schlägt und dann nicht mehr vernommen wird. Das Leben ist ein Märchen, erzählt von einem Clown, großmäulig und farbenfroh,– aber bedeuten tut es gar nichts.“
Macbeth

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