Die Prüfung oder wie man die Straßenbahn nicht verpasst

Die Prüfung oder wie man die Straßenbahn nicht verpasst

Philosophie, Yoga, In sich ruhen

Klingt sehr distanziert, nicht wahr? Und ist ziemlich ungewohnt. Ich denke, es geht für uns heute nicht darum, immer in der a-pathischen und distanzierten Haltung zu leben. Abgesehen davon, dass es uns ohnehin nicht gelingt … Wenn wir die „gnostisch“ prüfende Haltung in unser Verhaltensrepertoire aufnehmen und gegebenenfalls anwenden können, haben wir ein Instrument zur inneren De-eskalation, ein Werkzeug, unser oft überbordendes Gefühlsleben in den Griff zu bekommen. Wir haben uns in der Hand und leiden nicht unnötig.

Philosophische Betrachtungsweise

Normalerweise schätzen wir Dinge oder Ereignisse mit einem oft traditionsgebundenen und emotional verfälschten Wertesystem ein. Marc Aurel beschreibt dies:

„Sag zu dir nichts mehr, als was die vorangehenden Vorstellungen berichten. Es ist berichtet, dass der und der dich schmäht. Das ist gemeldet; das Weitere, dass du (dadurch) geschädigt bist, ist nicht gemeldet.“

Wir bekommen eine Sachinformation – irgendjemand hat etwas über uns gesagt. Das ist die erste Vorstellung. Aber die meisten Menschen fügen eine zweite Vorstellung hinzu, die aus dem Inneren kommt: „Diese verleumderischen Worte sind eine Beleidigung für mich.“ Marc Aurel empfiehlt: „So bleibe also immer bei den ersten Vorstellungen und mach selber innerlich keinen Zusatz und es geschieht dir nichts; oder mach einen Zusatz als Kenner von allem, was dir in der Welt begegnet.“

Wir können ja unsere Reaktion auf ein Ereignis immer wählen

Zwischen Reiz und Reaktion befindet sich der Entscheidungsfreiraum. Wenn ich wachsam bin, habe ich die Freiheit zu wählen. Wenn mich jemand beleidigt, kann ich gekränkt, amüsiert, verwundert oder gar nicht reagieren. Oder liebevoll und seine Äußerung als eine „Selbstoffenbarung“ verstehen. Alles, was jemand von sich gibt, sagt vor allem etwas über ihn/sie selbst aus.

„Seelengröße scheint zu besitzen, wer sich selbst Großes zutraut, und zwar mit Recht.“ (Aristoteles)

Prüfung

Wenn mir die Straßenbahn vor der Nase davonfährt, kann ich mich ärgern und somit negative Energie in meinem Inneren erzeugen. Oder ich kann mit einem höheren Bewusstsein die Situation „prüfen“ und sachlich feststellen, dass ich selbst die Ursache gesetzt habe, indem ich zu spät von zu Hause weggegangen bin. So ist es ganz natürlich, wenn ich jetzt eine entsprechende Wirkung erfahre.

„Es ist nicht das, was uns geschieht, sondern die Art, wie wir darauf reagieren, die uns verletzt.“ (Stephen Covey)

Ein Philosoph sucht hinter den Ereignissen das Wirken der Allnatur und der Naturgesetze. Dazu Marc Aurel: „Wie lächerlich und fremd ist der, der sich auch nur über etwas, was im Leben geschieht, wundert.“ Und: „Jedes Begebnis ist so vertraut und bekannt wie die Rose im Frühling oder die Frucht im Sommer.“ Alles, was uns begegnet, birgt eine Lehre in uns. Wie H. P. Blavatsky einmal sagte: „Niemand ist dein Feind, niemand ist dein Freund. Einer wie der andere ist dein Lehrer.“

Praktische Tipps für die „Prüfung“

  1. Wachsam sein, um zu erkennen, dass wir jetzt eine Gelegenheit zur „Prüfung“ haben.
  2. Machen Sie einen Schritt zur Seite, distanzieren Sie sich von sich selbst. Oder erheben Sie das Bewusstsein und betrachten Sie alles „von oben herab“, aus der Vogelperspektive.
  3. Prüfen Sie das Ereignis sachlich: Was ist geschehen? Wer hat was gesagt? Beschreiben Sie die Dinge, ohne zu werten oder zu interpretieren. Die Straßenbahn ist nicht „blöd“, weil sie ihren Fahrplan einhält. Mein Kollege ist nicht „gemein“, wenn er lacht, weil mir mein Kugelschreiber aus der Hand fällt. Vielleicht dachte er an was anderes.
  4. Einen „kühlen Kopf“ bewahren oder die instinktive unbewusste Reaktion beobachten, die automatisch abläuft.
  5. Mit Freiheit jenes Verhalten wählen, für das Sie sich entscheiden wollen.
  6. Die Erfahrung im Tagebuch notieren.
  7. Täglich üben.

Prüfe wohl!

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Eine Antwort

  1. G.Friedrichs sagt:

    Theoretisch und praktisch kann man natürlich (wenn man genügend übt) ohne Ärger und negative Emotionen auf falsche Behauptungen, Schmähungen und „Mobbing“ reagieren. Allerdings kann man sich dann wohl auch nicht gegen Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten erfolgreich wehren. Natürlich, die Straßenbahn ist „nicht blöd“, wenn sie pünktlich oder zu früh abfährt. Der Fahrer ist jedoch „gemein“ , wenn er zu früh fährt oder Fahrgästen, die sich im Laufschritt nähern, vor der Nase die Tür zumacht.
    Die Frage ist also, wie kann ich mich verhalten, wenn objektiv offensichtliche und bewußte „Bösartikeiten“ mir persönlich berufliche oder private Nachteile bereiten.

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