Praktische Ratschläge für das tägliche Leben

Praktische Ratschläge für das tägliche Leben

Philosophie als Lebenskund

Einleitung

Haben Sie sich nicht schon des Öfteren gewünscht, bewusster und aktiver zu leben und Vorsätze tatsächlich in die Tat umzusetzen? Fragen Sie sich nicht auch immer wieder, warum es so schwierig ist, Disziplin und Willensstärke zu entwickeln und endlich einmal konsequent zu sein?

Es gibt Phasen, in denen vieles gelingt und man eine echte Dynamik entwickelt. Dann wiederum fällt es einem außerordentlich schwer, auch nur kleine Entschlüsse zu fassen, richtige Entscheidungen zu treffen oder die Erkenntnisse in die Tat umzusetzen.

All das ist jedem vertraut und Zyklen gehören zum Leben wie Tag und Nacht, Sommer und Winter, Leben und Tod. Doch der Mensch ist mit Hilfe seines Geistes fähig, sich über dieses Auf und Ab zu erheben und zu einem inneren Gleichgewicht und einer ruhigen Gelassenheit zu gelangen. Dies haben Philosophen aller Zeiten bewiesen und ihre Ratschläge sind im hektischen 21. Jahrhundert höchst aktuell. Darum werden wir bei ihnen in die Lehre gehen.

Denn die wahre Philosophie ist nicht theoretisch und intellektuell, sondern echte Lebenskunst. Vor allem die Stoiker der Antike geben in ihren Schriften wertvolle Anregungen und Ratschläge zu einer würdevollen Meisterung des Alltags. Sie lehren, dass man den Alltag als Übungsfeld betrachten kann.

Denn unser Leben besteht ja aus einer Kette von Alltagen und wird umso kostbarer, je wertvoller und ausgearbeiteter die einzelnen Perlen sind. Wir machen oft den Fehler, nur unseren Urlaub, besondere Festtage oder die Wochenenden als wichtig zu betrachten. Das ist schade, denn so entgeht uns der größte Teil unserer Existenz. Der Alltag mit seinem stets wiederkehrenden Rhythmus stellt eine ganz besondere Herausforderung dar: nicht mechanisch zu werden, nicht abzustumpfen und immer bewusst und aufmerksam zu sein. „Du kannst deinem Leben nicht mehr Tage geben, aber deinen Tagen mehr Leben.“

Betrachten wir solch einen „philosophischen Alltag“ und lassen wir uns von den Weisheiten verschiedener Philosophen und Kulturen inspirieren, um aus ihm etwas ganz Besonderes zu machen.

Guten Morgen!

Ratschläge Philosophie

H. P. Blavatsky, russische Theosophin des 19. Jhs., schreibt in ihren „Praktischen Ratschlägen für das tägliche Leben“: „Steh zeitig auf, sobald du erwachst, und bleibe nie halb wachend, halb träumend im Bette liegen.“

Der Beginn eines neuen Tages ist eine Geburt im Kleinen. Denken Sie an den Sonnenaufgang. Langsam, aber unerbittlich geht die Sonne auf und ihre Strahlkraft wird immer stärker – egal ob wir sie sehen können oder nicht. Sie kugelt nicht faul am Horizont hin und her und zieht sich die Wolken über den Kopf wie wir die Bettdecke, um den Wecker nicht zu hören.

Die Sonne steigt höher und erfüllt die Welt mit ihrem Glanz. Nehmen wir uns dieses Bild als Beispiel. Setzen wir uns langsam, aber unerbittlich auf und seien wir uns dessen bewusst, dass ein neuer, jungfräulicher Tag beginnt. Ein Tag, den wir so leben wollen, dass es auch unser letzter sein könnte, treu nach Marc Aurels Ausspruch „Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter.“

Morgenwäsche

Nun beginnt die alltägliche „Morgenroutine“, die uns zuerst ins Badezimmer führen sollte. Jeder Mensch hat seine Methoden, sich physisch zu „erwecken“, sei es mit warmem oder kaltem Wasser

H. P. Blavatsky schreibt: „Während du badest oder dich wäschst, betätige die ganze Zeit den Willen, dass deine moralischen Unreinheiten mit denen des Körpers weggewaschen werden mögen.“

Es ist ein Grundsatz des geistigen Lebensstils, dass man jede Handlung mit vollem Bewusstsein vollzieht. Während Sie sich also physisch waschen und reinigen, können Sie das gleichzeitig auch im psychischen und mentalen Bereich tun.

Morgenmeditation

Morgenmeditation Philosophie

Nach der Reinigung ist ein Moment der Besinnung und der Sammlung empfehlenswert. „Ihre Morgenspaziergänge machten die Pythagoreer alleine. Sie gingen an Orte, an denen Einsamkeit und gebührende Stille herrschte, wo Heiligtümer und Haine waren und was sonst das Herz erfreut. Glaubten sie doch, man dürfe nicht mit einem Menschen zusammentreffen, ehe man die eigene Seele gerüstet und sein Denken geordnet habe.“, berichtet Aristoxenos.

Anregend ist es z.B. auch, einen schönen Satz zu lesen und über ihn nachzudenken.

Wichtig ist, dass man sich bei dieser „Morgenmeditation“ selbst zentriert und den Kontakt mit seiner inneren Achse findet. So identifiziert man sich mit seinem „wahren Selbst“, seinem „göttlichen Fünklein“. Und dadurch ist man gut für den Lebenskampf vorbereitet und kann mit innerer Ruhe, Gelassenheit und der nötigen Distanz den Herausforderungen des Alltags entgegentreten.

Frühstück

Fruestück Philosophie

Nachdem der Geist gestärkt wurde – und erst danach – sollten Sie sich Zeit für ein Frühstück nehmen.

Blavatsky rät uns auch hier wieder, nicht „bewusstlos“ zu essen: „Während der Mahlzeiten betätige deinen Willen dahin, dass die Nahrung richtig verdaut werden und dir einen Körper aufbauen möge, der im Einklang mit deinen geistigen Bestrebungen geartet ist und keine schlechten Leidenschaften und keine bösen Gedanken hervorruft. Iss nur, wenn du hungrig bist, trink nur, wenn du durstig bist, sonst nie.“

Weiter geht es mit „Platons Tagesablauf“

Wie viele Philosophen der Antike beschäftigte sich auch Platon mit „lebenspraktischen“ Fragen und er lehrte, dass man den Tag in vier Abschnitte à sechs Stunden einteilen kann: sechs Stunden Arbeit, sechs Stunden Hygiene, sechs Stunden „otium“ (= „göttliche Muße“), sechs Stunden Schlaf.

Das heißt natürlich nicht, dass jeder Abschnitt zu sechs Stunden immer an einem Stück erfolgt. Und außerdem ist es wichtig, die einzelnen Begriffe (z.B. Hygiene) richtig zu verstehen. Betrachten wir nun jeden der vier Abschnitte.

Die Arbeit

Nach der Morgenroutine setzen wir unseren philosophischen Alltag bei der Arbeit fort – findet sie nun zu Hause, am Arbeitsplatz oder sonst wo statt. Obwohl viele Menschen mit dem Begriff „Arbeit“ oft unbewusst negative Assoziationen verknüpfen, ist Arbeit einer der wichtigsten Aspekte der Identität. Das größte Problem arbeitsloser Menschen ist die Minderung des Selbstwertgefühls und das Empfinden, keinen Nutzen mehr für die Gesellschaft zu haben. Der Mensch definiert sich durch das, was er tut und schafft.

In der Bhagavad-Gita, dem heiligen Buch des Hinduismus, sagt der Gott Krishna, dass alle Wesen handeln; auch er – Gott selbst – handelt, denn würde er das nicht tun, würde die Welt zusammenbrechen. Er wirkt durch die Naturgesetze und die Schöpfung und handelt stetig und unentwegt.

Wahrhaft befriedigend sind altruistische Tätigkeiten, die man für andere tut, aus Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe und Großzügigkeit. Die Bhagavad-Gita nennt solch eine Handlung die „Rechte Handlung“, die unter dem Motto vollzogen wird: „Tu, was du willst, und wolle, was du sollst.“ Nicht das Ergebnis ist wichtig, sondern die Tätigkeit an sich. Der Buddhismus lehrt, dass jede Tätigkeit um ihrer selbst willen geschehen muss, wodurch der Mensch nicht am Ergebnis haftet und wahre Freiheit erlangt. Wie erfüllend es ist, anderen Menschen uneigennützig zu helfen oder einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, zeigt die Popularität der ehrenamtlichen Arbeit.

„Und alle Arbeit ist leer, wenn die Liebe fehlt; Und wenn ihr mit Liebe arbeitet, bindet ihr euch an euch selber und an Gott. Arbeit ist sichtbar gewordene Liebe.“ (Khalil Gibran)

Otium – die göttliche Muße

Muße Philosophie

Wie alles in der Natur arbeitet auch der menschliche Körper rhythmisch. Deshalb ist es wichtig, für einen harmonischen Wechsel von Spannung und Entspannung zu sorgen.

Richtige Entspannung ist eine echte Kunst, die man heute oft lernen muss. Nicht umsonst nennt man otium die „göttliche Muße“. „Die Muße war in der Antike das gesellschaftliche Ideal“, sagte der Historiker Raimund Wünsche, Leiter der Staatlichen Antikensammlung in München. „Leider hat das Christentum dann aus der Muße den Müßiggang gemacht. Was kein Geld brachte, galt fortan als unnütz.“

Das entspannte Sein im Hier und Jetzt ist ein uraltes Bedürfnis der Menschen. Sokrates glaubte, in der Muße „den schönsten Besitz von allen“ gefunden zu haben. Aristoteles hielt „die Muße für die Schwester der Freiheit“ und Cicero sagte: „Nichtstun erquickt.“

Äußerlich tut man nichts oder wenig, die Aktivität verlagert sich in den „Innenraum“. Die „göttliche Muße“ ist mit der Erhebung der Seele verbunden. Dazu gehörte bei den alten Griechen die Beschäftigung mit Philosophie – der Suche nach der Weisheit -, gute Gespräche über geistige Themen, Besuche von Aufführungen in den Theatern, Lektüre und Betrachtung.

Ein praktischer Tipp:

Ruhe, Stille, Einsamkeit sind äußerst beruhigend. Denken Sie daran, regelmäßig Momente der Stille zu erleben. Zeiten, in denen Sie nichts tun außer nachdenken, meditieren, schweigen.

Die Hygiene

Unser philosophischer Tagesablauf geht weiter. Nach der Arbeit und der Entspannung einige Worte zur Hygiene. Wir haben zwar schon weiter oben über die Reinigung gesprochen, Hygiene ist aber weitaus umfassender. Das Wort „Hygiene“ leitet sich ab von der griechischen Göttin „Hygieia“, der Göttin der Gesundheit. Ihr Gatte oder in anderen Versionen ihr Vater ist Asklepios, der Gott der Heilkunst.

Zwischen der Hygiene und otium, also der „göttlichen“ Muße, finden wir einige Berührungspunkte, z.B. im Bereich der Spiritualität. Zur psychischen Gesundheit ist eine Beziehung zu Gott (egal wie man ihn sonst nennen mag oder ob es mehrere sind) oder die Anbindung an einen höheren Seinszusammenhang notwendig. C. G. Jung, der Schweizer Psychotherapeut, erkannte, dass Menschen, die keine Möglichkeit finden, die allen angeborene Religiosität zu kanalisieren, zutiefst leiden. Dies kann sich in psychischen Krankheiten, also Depressionen, Psychosen usw. ausdrücken.

Zwei Tipps:

  1. Ordnung und Sauberkeit: Unsere Wohnung sollte stets sauber und ordentlich sein, dies wirkt sich auf die Psyche und den Geist klärend aus. Denn wo sich Staub und Schmutz sammeln, nisten sich auch negative psychische Energien ein. Beim Saubermachen ist nicht nur das Ergebnis wichtig, sondern vor allem auch die Tätigkeit des Reinigens. Mit Bewusstsein kann man das physische Putzen auf die anderen Ebenen übertragen und auch Psyche und Geist „säubern“.
  2.  „Hausaltar“: In einer Ecke des Hauses oder der Wohnung einen „Hausaltar“ einrichten – mit Kerzen, für uns wichtigen symbolischen Gegenständen, jahreszeitlichem Schmuck, Räucherstäbchen usw. Diesen „heiligen Ort“ beleben, umgestalten, die Kerzen anzünden, davor meditieren.

Der Schlaf

Schlaf Philosophie

Nun sind wir am Ende unseres „philosophischen“ Tages angelangt und dürfen uns zur Ruhe begeben. Endlich schlafen! Aber nur sechs Stunden – das soll laut Platon genügen?! Es mag uns wenig erscheinen, doch wir müssen bedenken, dass der „Platonische Tag“, den wir jetzt hinter uns hätten, so ganz anders gestaltet wäre als die Alltage, die wir gewohnt sind …

Der wohl größte Unterschied liegt im spirituellen und geistigen Bereich. Ein Grieche (Ähnliches gilt auch für die Römer, Ägypter, Tibeter, Mayas, einen Europäer im Mittelalter usw.) hat im Laufe eines Tages mindestens eine religiöse Handlung vollzogen, z.B. ein Opfer am Hausaltar vollbracht und Gebete gesprochen, oft auch einen Tempel besucht. Seine Entspannung suchte er nicht vor dem Fernseher, der zerstreut und Energie kostet und nicht erhebt oder zentriert. Viel eher war er vielleicht zu einem Gastmahl geladen und hatte philosophische Gespräche und gute Geselligkeit, Hausmusik oder Chorgesang erlebt. Womöglich hat er auch ein öffentliches Bad aufgesucht, sich unterhalten und eine Massage genossen – alles Dinge, die regelmäßig der Gesundheitspflege und Energiegewinnung dienten.

Auch hier sind uns die alten Griechen ein großes Vorbild, denn ihnen war der Schlaf heilig. Der Gott „Hypnos“ – Gott des Schlafes – war der kleine Bruder des „Thanatos“ – des Gottes des Todes. Und esoterische Lehren berichten uns, dass die Seele sich während eines guten und tiefen Schlafes vom Körper löst und in höheren geistigen Welten hellwach ist. Sie tut also im Kleinen schon das, was nach dem Tod geschieht. Die Seele und die Psyche brauchen den Schlaf nicht, um sich auszuruhen, sondern um ihre spezifische Tätigkeit – endlich vom Körper befreit – in Ruhe ausüben zu können und so das psychische Gleichgewicht wieder herzustellen.

Ein Tipp:

„Bevor du einschläfst, bete wie am Morgen. Überblicke deine Taten während des Tages und erkenne, worin du gefehlt hast. Fass den Entschluss, dass du in den gleichen Dingen morgen nicht mehr versagen willst“, schreibt Blavatsky. Außerdem sollte man sich vor dem Einschlafen von den Sorgen befreien, indem man etwas liest, meditiert, nachdenkt, Musik hört usw. Oder man frischt eine Erinnerung auf, die so angenehm und geistig wie möglich ist. So hilft man der Seele, sich aus dem Alltagsgeschehen zurückzuziehen und sich auf ihre „Traumreise“ vorzubereiten.

Schlussbetrachtungen

Nun sind wir am Ende unseres Tages angelangt. Ich hoffe, es gelingt Ihnen, mithilfe dieser Ratschläge Ihre Tage allmählich philosophischer zu gestalten. Michel de Montaigne schreibt in seinem Plädoyer für eine Rehabilitierung der Philosophie als Lebenskunst: „Eine Seele, in der die Philosophie wahrhaft heimisch ist, wird daher durch ihre Gesundheit auch den Körper gesund machen. Ihre Ruhe und ihr Wohlbehagen werden aus ihm hervorleuchten; so wird sie nach ihrem Bilde auch die äußere Erscheinung formen und sie folglich mit gelassner Würde ausrüsten, mit einem lebendigen und fröhlichen Auftreten, mit einer zufriedenen und leutseligen Haltung. Das deutlichste Kennzeichen der Weisheit ist ein stetes Vergnügtsein; ihr Zustand gleicht den Dingen unterm Monde: heiter immerdar.“

Viel Freude mit der philosophischen Lebenskunst wünscht

Ihre Gudrun Gutdeutsch

 

2 Antworten

  1. Ina sagt:

    Besonders den Punkt mit der Ordnung finde ich super wichtig. Wenn man täglich aufräumt staut sich nicht so viel Arbeit an und man hat einfach mehr Ruhe.
    Beste Grüße,
    Ina

  2. Britta Kantzer sagt:

    Awaken, enlighten, turn darkness to light!

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