Romantik 2.0 – Warum wir uns wieder nach ihr sehnen sollen

Romantik 2.0 – Warum wir uns wieder nach ihr sehnen sollen

Wiederverzauberung

200 Jahre nach ihrer Blüte feiert die Romantik ihre Rückkehr. Doch warum? Wozu brauchen wir Romantiker im Internetzeitalter? Oder war das Romantische vielleicht niemals verschwunden? Eine Spurensuche…

1789 stürmten die Pariser ihre Bastille. Das epochale Ereignis der Revolution inspirierte sogleich auch die Dichter und Denker östlich des Rheins. Die Tübinger Studenten Hegel, Hölderlin und Schelling errichteten begeistert einen Freiheitsbaum. Doch die bald einsetzende Barbarei in Frankreich ernüchterte die deutschen Möchtegern-Revolutionäre. Sie verlagerten alsdann ihren Sturm und Drang ins Künstlerische und nach Jena.

Romantik 1.0

Romantik

Ende des 18. Jahrhunderts gierte das Bürgertum in Deutschland nach geistigen Abenteuern in Romanform. Während – anders als in Frankreich – politisch Ruhe herrschte, suchte man nach einem intensiven Lebensgefühl, nach Lebendigkeit, Dichte und Dramatik. Der Durst war entstanden nach einer Epoche der verstandesgeleiteten Aufklärung, die das Leben rationaler, aber auch berechenbarer und langweiliger gemacht hatte.

Auf einmal entspannte sich ein Interesse an allem, was geheimnisvoll, wunderbar, irrational war. Das Dunkle, das Unvorhersehbare machten gleichzeitig Angst und Lust. Romane über Geheimbünde und ihre Verschwörungen standen hoch im Kurs. In diesem Umfeld versammelten sich junge Schriftsteller und Philosophen, um die frühe Romantik zu begründen: Novalis, Tieck, die Brüder Schlegel, Schelling, Fichte. Auch Friedrich Schiller (1759 – 1805) war in diesem Hotspot Jena, ehe er zu Goethe ins benachbarte Weimar wechselte.

Die ästhetische Erziehung des Menschen

Romantik

Die frühen Romantiker trieben es bunt und weit. Ihre Zusammenkünfte waren ein großartiges geistiges Spiel, ein „Fest von Witz, Laune und Philosophie“ (Tieck). Schiller hatte die Grundlage geliefert. Er erkannte, dass der Mensch angesichts des Lebens
kampfes leicht ins Tierische verfällt, wenn er sich nicht durchs Spielerische Freiheitsräume schafft:

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Die moderne Welt besitzt nach Schiller nur eine theoretische Kultur, innerlich sind die Menschen Barbaren geblieben. Schiller fordert daher eine ästhetische Erziehung des Menschen. Die Kunst verfeinert und veredelt die Empfindungen, sie führt zur Zivilisierung. Die Kunst muss deshalb, ebenso wie die Religion, zuerst um ihrer selbst willen entstehen und darf keinem anderen Zwecke untergeordnet werden.

Dieser Vorgabe folgten die Romantiker. Sie begriffen sich dabei selbst als Teil des großen Weltspiels. Der Kulturphilosoph Friedrich Schlegel (1772–1829):

„Alle heiligen Spiele der Kunst sind nur ferne Nachbildungen von dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich selbst bildenden Kunstwerk.“

Romantik

Das Ansinnen der Romantiker war schlicht grenzenlos. Das Spiel sollte „die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufheben“, durch die „schöne Verwirrung der Phantasie“ bis zum Götterhimmel tragen. Mittels „romantischer Ironie“ sollte sich die Kunst selbst reflektieren. So würde man vom durchschaubaren Endlichen zum unverständlichen Unendlichen, zum schöpferischen Chaos, letztendlich zu Gott gelangen. Schiller hatte die Deformation des aufgeklärten Menschen, die Verkümmerung des schöpferischen Geistes beklagt. Die Romantiker brannten daraufhin ein Feuerwerk der Imagination ab, um zur Ganzheit zurückzugelangen.

Romantisieren heißt VeredelnRomantik

„Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“

So lautet die Definition von Novalis (1772 –1801). Dieser Jüngling mit „ätherischer Glut in seinen tiefen Augen“ war Goethe ein „Imperator des geistigen Lebens“, seinen Freunden ein Zauberer, Magier, gar ein möglicher Religionsstifter. Novalis´ Roman „Heinrich von Ofterdingen“ beschreibt die „Blaue Blume“, jenes Symbol der Sehnsucht, des metaphysischen Strebens nach dem Unendlichen. Das Motiv inspirierte zur Suche, zum Wandern in die Ferne, das später populär wurde. Es ist der Weg eines Weisheitsliebenden, eines Philosophen schlechthin.

Die Themen der Romantiker umfassen ein weites Spektrum.

  • Ihr reiches Innenleben beschäftigt sich mit Liebe wie mit Tod.
  • Spezielles Interesse galt der Nacht, dem Dunklen als Wurzel allen Lebens.
  • Thematisiert wurden Natur, Mensch, Geist, wobei das Individuelle und Subjektive im Vordergrund stand, zugleich die Verbindung von allem mit allem. „Ist denn das Weltall nicht in uns?“, fragte Novalis. Schluss mit der Dualität von Subjekt und Objekt!
  • Schlegel betonte die schöpferische Freiheit des Menschen. Die Kunst wird gar zur Retterin der kraftlosen Religion, die Schleiermacher als „den Sinn und Geschmack fürs Unendliche“ definierte.
  • Zum Schöpferischen des Menschen passte auch die „Ich-Philosophie“ Fichtes (1762–1814). Dieser hatte ein energiegeladenes, weltschaffendes Ich propagiert, das seine Möglichkeiten des Erkennens und Handelns aktiv nutzen sollte: der Mensch als mitschöpfender organischer Teil des Universums, ganz ähnlich der späteren Quantenphysik.

 

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