Werner Heisenberg – so revolutioniert die Quantenphysik unser Weltbild

Werner Heisenberg – so revolutioniert die Quantenphysik unser Weltbild

Quantenphysik

In Heisenbergs Jugend war die Wissenschaft geprägt von der Newtonschen Mechanik: Die Welt ist eine seelenlose Maschine. Werner Heisenberg fühlt sich hingegen eingewoben in eine Natur, die er im Sinne seines geliebten Goethe als Ganzheit erlebt; in der Geistiges und Materielles sich organisch durchdringen und befruchten. Die Erkenntnisse und Entdeckungen Heisenbergs und anderer Quantenphysiker führen im 20. Jahrhundert zu einem Durchbruch im Verständnis unserer Realität.

Heisenberg leitet aus den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ein Bild der Ganzheit und Verbundenheit von allem ab, das uns im 21. Jahrhundert helfen kann, eine zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten.

Schon in der frühen Kindheit zeigt der 1901 geborene Heisenberg große Begeisterung für die Physik und eine große mathematische Begabung. Seine Passion ist die Musik, im Klavierspiel ist er sogar hochbegabt. Deshalb ist Heisenberg lange Zeit unentschlossen, ob er Musik oder lieber Mathematik und Naturwissenschaft studieren soll.

Seine Liebe zur Natur lebt Heisenberg mit seinen Freunden von der Jugendbewegung aus. Bei ausgedehnten Wanderungen durch ganz Deutschland lesen sie sich die Werke der klassischen und romantischen Literatur vor und führen lange Diskussionen über philosophische Themen. In den Werken Goethes, dessen Faust er auswendig lernt, entdeckt Heisenberg eine göttliche Ordnung der Natur. In dieser Natur hat er auch manch inspirierendes oder mystisches Erlebnis. So auch bei einer Übernachtung in der Burgruine Pappenheim in Mittelfranken. Er beschreibt, wie er dabei die Natur in ihrer Ganzheit und Verwobenheit erlebt hat.

Wie alles sich zum Ganzen webt,

Eins in dem andern wirkt und lebt!

Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen

Und sich die goldnen Eimer reichen!

Mit segenduftenden Schwingen

Vom Himmel durch die Erde dringen,

Harmonisch all das All durchklingen!

Aus Goethes Faust

Quantenphysik

 

Revolution in der Physik

In Heisenbergs Jugendzeit fallen auch jene physikalischen Entdeckungen, die sich nicht mehr in das mechanistische Weltbild einordnen lassen. Max Planck und Albert Einstein beginnen, mit der Quantentheorie und der Relativitätstheorie die Fundamente der newtonschen Mechanik ins Wanken zu bringen. Was ist Raum, was Zeit, was Materie? Und was ist das, was die Welt im Innersten zusammenhält? Schon früh begeistert Heisenberg sich für diese Fragen, die im Lichte dieser Entdeckungen und Theorien neu beantwortet werden müssen.

Bald nach Beginn seines Studiums zählt Heisenberg zum Kreis jener hochbegabten Quantenphysiker, die mit neuen Theorien und einer neuen Sicht auf die Welt aufhorchen lassen. Damals stellte sich die Frage, wie ein Atom beschaffen ist. Niels Bohr und Arnold Sommerfeld, Heisenbergs Lehrer an der Universität in München, stellen es sich wie ein kleines Sonnensystem vor: mit einem Kern, den die Elektronen wie Planeten umkreisen. Nach den Berechnungen der klassischen Physik hätten die Elektronen jedoch in den Kern fallen müssen. Und so stellte sich die Frage, warum sie das nicht taten. Gemeinsam beginnen Physiker wie Heisenberg, Niels Bohr, Louis de Broglie, Wolfgang Pauli, Max Born und einige andere nun zu verstehen, dass Elektronen keine Dinge sind, sondern so etwas wie eine stationäre Schwingung. Oder um es für unseren Alltagsverstand noch verwirrender auszudrücken: dass ein Elektron gleichzeitig ein Teilchen und eine Welle ist.

Was sind die Bausteine der Materie?

Seit dem Beginn der Neuzeit war die westliche Welt der Ansicht, dass unsere Welt, also die Materie, aus kleinsten Teilchen zusammengesetzt ist. Der griechische Naturphilosoph Demokrit (460–370 v. Chr.) nannte sie Atome und nachdem die Naturwissenschaft die Teilbarkeit der Atome entdeckte, vermutete man, dass Protonen, Elektronen und Neutronen nun jene kleinsten Teilchen wären. Mittlerweile hat die Physik mehr als 100 Elementarteilchen entdeckt. Die Schwierigkeit dabei ist, dass diese Teilchen nicht dem entsprechen, wie wir uns materielle Dinge vorstellen. Viele von ihnen sind zum Beispiel instabil und wandeln sich spontan in andere Teilchen um, sie zerfallen also entsprechend dem radioaktiven Zerfallsgesetz in andere Teilchen. Allerdings sind die Zerfallsprodukte, also die neuen Teilchen, in keiner Weise im ursprünglichen Teilchen bereits vorhanden gewesen.

Es gibt sogar Elementarteilchen wie die Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos, die sich tatsächlich alle drei in verschiedenen Mischungen gegenseitig enthalten. Aus logischem Gesichtspunkt wäre eine solche Aussagen falsch, dennoch entspricht sie einer experimentellen und damit empirischen Realität. Heisenberg erklärt dies damit, dass hier eigentlich keine Zerlegung von Teilchen passiert, sondern eine Erzeugung von Materie aus Energie. Alle Elementarteilchen sind aus derselben Substanz gemacht und man kann diese Substanz Energie oder Materie nennen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass man bei Elementarteilchen bisher keine räumliche Ausdehnung feststellen konnte und die Physiker sie daher als mathematische Punkte beschreiben.

Quantenphysik, Natur

Elementarteilchen sind ein Nichts

Heisenberg folgerte daraus, dass Demokrit und die newtonsche Mechanik die Welt mit ihrer Vorstellung von kleinsten Teilchen oder Dingen nicht korrekt beschrieben haben. Sehr wohl erinnerten ihn die Entdeckungen aber an die Beschreibungen der Physis, wie sie Platon entwirft. Dessen Dialog Timaios hatte Heisenberg schon während seiner Schulzeit im griechischen Original gelesen. Damals kam ihm dessen Idee absurd vor, dass die kleinsten Teile der Materie aus rechtwinkeligen Dreiecken bestehen sollten. Nach Platon sind diese Dreiecke keine Materie mehr, aber indem sie sich zu verschiedenen Formen – den platonischen Körpern – zusammenfügen, gestalten sie die Materie. Hinter der Welt der Formen verbergen sich mathematische Strukturen. Hier sah Heisenberg eine Übereinstimmung mit den Symmetrieeigenschaften, welche die stationären Zustände der Elementarteilchen in der Quantentheorie charakterisieren.

Die Elementarteilchen sind für Heisenberg nichts Faktisches, sondern eine Möglichkeit. Dieses Potenzial kann sich in der Welt des Faktischen aber zeigen, wie die Wassertröpfchen in der Wilsonschen Nebelkammer. Hierbei handelt es sich um einen Teilchendetektor, der die Bahn mancher Teilchen sichtbar machen kann. Hans-Peter Dürr, ein Schüler von Werner Heisenberg und dessen Nachfolger als Leiter des Max-Planck-Instituts in München, bestätigt dies. Er beschreibt die Elementarteilchen als „elektromagnetischen Schwingungsball“:

Und was da schwingt, ist NICHTS. Aber dieses Nichts hat eine Form.

Ein „Grund von merkwürdiger innerer Schönheit“

Ein entscheidender Durchbruch für das Verständnis der Quantenphysik gelingt dem 23-jährigen Heisenberg während eines Aufenthalts auf Helgoland. Er ist dort auf Anordnung seines Arztes, um einen schlimmen Heuschnupfen auszukurieren und beschreibt diese Zeit rückblickend so: „Geschlafen habe ich eigentlich gar nicht. Ein Drittel des Tages habe ich die Quantenmechanik ausgerechnet. Ein Drittel bin ich in den Felsen herumgeklettert und ein Drittel habe ich Gedichte aus Goethes west-östlichen Diwan auswendig gelernt.“ Heisenberg inspiriert sich an der kraftvollen Natur der Nordseeinsel und glaubt beim Blick über das Meer einen Teil der Unendlichkeit zu ergreifen.

Als er die Formeln der Quantenmechanik entdeckt, für die er einen eigenen mathematischen Formalismus entwickelt, gleicht das für Heisenberg seinen mystischen Naturerlebnissen:

Im ersten Augenblick war ich zutiefst erschrocken. Ich hatte das Gefühl, durch die Oberfläche der atomaren Erscheinungen hindurch auf einen tief darunter liegenden Grund von merkwürdiger innerer Schönheit zu schauen und es wurde mir fast schwindlig bei dem Gedanken, dass ich nun dieser Fülle von mathematischen Strukturen nachgehen sollte, die die Natur dort unten vor mir ausgebreitet hatte.

In Heisenberg vereinen sich Physiker und Künstler. Der Natur und Musik entnimmt er die Bilder für seine Deutung der Wirklichkeit. Auf der Nordseeinsel entdeckt er in einem gewissen Sinn die Melodie der Atome.

 

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