Mit dem Ende der Antike gerieten in Europa Ideen der griechischen Geistesgeschichte und auch ein Großteil der Philosophen u.a. Platon und Aristoteles in Vergessenheit. Im Nahen Ostens war die Entwicklung etwas anders, dort knüpfte man direkt an Griechenland an, was sich in der arabischen und islamischen Philosophie zeigt.
An den islamischen Universitäten wurden die griechischen und lateinischen Philosophen und besonders Platon und Aristoteles übersetzt und kommentiert. Diese arabischen Übersetzungen und Kommentare bilden die Voraussetzung für die Übernahme der griechisch-lateinischen Denktradition in das christliche Europa. Über die Expansion des Islam auf große der Teile der iberischen Halbinsel war die Islamische Philosophie mit daran beteiligt, dass sich Platons Ideen am Ende des Mittelalters wieder in Europa verbreiteten und damit den Grundstein für die Renaissance legen konnten.
Der wohl berühmteste Philosoph und Arzt des Islam im 11. Jh. n.Chr. war Abu Ali ibn Sina, der im Abendland auch unter dem Namen Avicenna bekannt wurde. Als Universalgelehrter beschäftigte er sich außerdem u.a. mit Naturwissenschaften, Jura, Mathematik, Astronomie, Alchemie und Musiktheorie.
In der Moderne wurde Avicenna als herausragender Arzt u.a. durch den Roman „Der Medicus“ und dessen Verfilmung wieder bekannt. Zu seinen Lebzeiten war die Medizin im vorderen und mittleren Orient auf einem weit höheren Niveau als in Europa, das sich im tiefen Mittelalter befand.
Sein Hauptwerk über die Medizin war die wissenschaftliche Grundlage für die Medizin der westlichen Welt. Mehrere Jahrhunderte lang – teils bis in 18. Jh. n.Chr. hinein – war es an den Universitäten Europas das wichtigste Lehrbuch für Ärzte. Avicenna zählte zu den berühmtesten Persönlichkeiten und Wissenschaftlern einer ganzen Epoche und wird aufgrund seiner philosophischen Arbeiten und Gedichten auch von einigen Mystikern dem Sufismus zugerechnet.
Avicenna griff Ideen von Platon, Aristoteles und der Neuplatoniker auf, er beschäftigte sich auch mit Metaphysik und Logik. Der Titel eines seiner Bücher lässt sich mit „Buch der Heilung der Seele von Irrtum“ übersetzen.
Es gibt zwei Tage, um die Du Dich nicht zu kümmern brauchst:
um den Tag, der noch nicht gekommen, und den, der vergangen ist. (Avicenna)
In der westlichen Welt gilt er zuweilen als berühmtester Wissenschaftler des Islam überhaupt.
Dem im Libanon geborenen Philosophen und Dichter Khalil Gibran gelang mit seinem 1923 veröffentlichten Werk „Der Prophet“ der Brückenschlag zwischen der Alten und Neuen Welt, zwischen Orient und Okzident, Islam und Christentum. Seine Werke werden als Bindeglied der philosophischen Richtungen des Orients, z. B. des Sufismus, und der westlichen, durch das Christentum beeinflussten Philosophien gesehen.
Vortragsabend mit literarischen Beispielen
Eintritt 7 €, ermäßtigt 5 € (Schüler und Studenten bis 30 Jahre)