Die Philosophie des Clown, eine Phänomenologie des Scheiterns

Die Philosophie des Clown, eine Phänomenologie des Scheiterns

Clown

Clowns sind Menschen, die uns zum Lachen bringen, ohne dass sie es wollen. Aber warum finden wir sie eigentlich so lustig?

Clowns sind in vielerlei Hinsicht Kinder:

  • sie spielen mit allem, was ihnen zwischen die Finger kommt,
  • sie handeln immer mit der besten Intention,
  • sie ahnen die Konsequenzen ihrer Handlungen nicht, sondern werden von ihnen im Moment ihres Eintreffens überrascht,
  • sie erkennen gesellschaftliche Tabus nicht an,
  • sie reagieren mit Geräuschen und mit dem Körper,
  • sie bewegen sich in einem Zustand, bevor bei sogenannten normalen Menschen die Erziehung eingesetzt hat.

Wir fühlen uns den Clowns überlegen, weil wir ja erwachsen sind, merken aber unbewusst, dass wir noch immer die gleichen Probleme haben, die wir schon als Kind hatten.
Damals wollten wir auf die Leiter steigen, schafften es aber nicht und fielen hinunter – heute wollen wir Filialleiter werden, und schaffen es vielleicht genauso wenig…
Man zieht eine weiße Hose an, um besonders elegant auf ein Fest zu gehen, und gerade da fährt ein Auto vorbei und spritzt den nassen Schlamm auf die Hose. Statt besonders elegant zu sein, schaut man aus wie ein Clochard und erregt das Mitleid der Gastgeberin, die unter großem Beifall versucht mit nassen Geschirrtüchern das Gröbste zu entfernen, was natürlich alles nur noch schlimmer macht, bis man schließlich in den zu kurzen und zu weiten Hosen des Gastgebers seine Vorstellungsrunde macht. Das sind die Clownnummern des täglichen Lebens, die wir nur allzu gut kennen. Clowns parodieren auch nie, weil sie sich nie überlegen fühlen – sie wollen wirklich so sein, wie der, den sie bedingungslos bewundern. Genauso wie wir wollen Clowns nicht lustig sein, sie haben ernste Probleme und versuchen, diese effizient zu lösen.

Clown

Peter Waterhouse sagte:

„Diese vollkommene Abwegigkeit aber berührt die Wahrheit. Das würde ich fast als Methode ansehen: Den größtmöglichen Abweg zuzulassen, oder Umweg. Und das Gegenteil wäre die Attacke. Das Missverstehen der Clowns bei Shakespeare, das ist der Weg zur Wahrheit – die aber von ihrem Gegenteil gar nicht getrennt ist. Der Clown, im „Othello“ zum Beispiel, hat wenig zu sagen, aber das, was er sagt, ist immer missverständlich, irrtümlich und geht einen Umweg. Einen falschen Weg, könnte man noch genauer sagen. Der clowneske Weg als der falsche Weg führt – eben nicht ans Ziel, sondern zu etwas Besserem.“

 DIE GEBURT DES CLOWNS

Clown

Als ich meinen Clownlehrer Philippe Gaulier in Paris nach der Geschichte der Clowns fragte, antwortete er mir: „Das ist doch ganz einfach: Die Clowns wurden am Samstag, den 23. März 1795 um 14.38 Uhr im Hippodrome in London erfunden. Es war ein regnerischer Tag, wie so oft in London. Zwei Stallburschen waren dazu eingeteilt, bei den Darbietungen der Reitergesellschaften die Pferdeäpfel zu beseitigen. Einer war sehr groß, der andere sehr klein. Da es aber regnete, kamen beide zu spät.

Als Erstes kam der große Dünne, schnappte die erste Uniform aus dem Spind, die er erwischen konnte, zog sie sich an und lief mit Besen und Schaufel in die Manege. Die Leute fingen an zu lachen, als sie seine langen, dünnen, behaarten Beinen aus den zu kurzen Hosen herausstehen sahen. Einige Minuten später kam der kleine Dicke und sah, dass sein Kollege seine Uniform angezogen hatte. Die einzige Uniform, die er finden konnte, war die seines Kollegen, die ihm natürlich überhaupt nicht passte. Er zwängte sich trotzdem hinein und lief in die Manege, um seinen Partner zur Rede zu stellen. Als er diesen vor sich in seiner Uniform sah, verlor er die Fassung und stürzte auf ihn los. Dabei stolperte der kleine Dicke über seine zu langen Hosenbeine und fiel hin.

Die Leute waren begeistert. Nun war der Kleine noch wütender und ging wieder auf den Großen los. Dieser rannte weg, dessen Hosen aber fingen an zu rutschen und wickelten sich um dessen Beine, sodass auch er hinfiel… Daraufhin wurden beide Kontrahenten von den Reitern aus der Manege getragen – die Leute waren aber so begeistert, dass der Chef der Reitergesellschaft darauf bestand, dass sie diese Nummer vor jeder Vorstellung zeigen sollten. Der Clown war geboren.“

Die Clowns wurden am Samstag, den 23. März 1795 um 14.38 Uhr im Hippodrome in London erfunden

URSPRUNG DER CLOWNFIGUR

Natürlich ist das nicht der einzige Ursprung der Clownfigur. Denn das Bedürfnis zu lachen, gibt es, solange es Menschen gibt – und besonders das Bedürfnis, über sich selbst zu lachen. Und dafür steht der Clown. Die direkten Stammväter der europäischen Clowns sind die Darsteller der griechischen Histrionen und römischen Saturnalien. Der bekannteste Römische Spaßmacher hieß Centunculus (hundert Fleck). Maccus, der „weiße Mime“, spielte in den Komödien der Griechen (Atellanen). Eine weitere Wurzel der Clowns waren die Darsteller der guten und der bösen Seelen in den Mysterienspielen im Mittelalter. Die Schauspieler, die die Toten darstellen mussten, schminkten ihr Gesicht mit weißer Farbe und trugen auf dem Kopf drei rote Haarbüschel, um die Flammen des Fegefeuers zu symbolisieren. Die Seelen mussten übrigens absurd komische Gefechte mit dem Teufel ausführen, der sie in die Hölle bringen wollte.

Clown

Der Clown, etymologisch: „colonus“, „clod“, der „Bauer“, hat als dicke Figur, als „Falstafftyp“, seine Ursprünge bis in die Antike. (Sommernachtstraum, Sturm, etc.) Clowns wurden in England von Shakespeare, Jahrson, Beaumont und Fletscher aus den historischen Schauspielen, den moralities, übernommen und verfeinert.

Der weiße Clown hatte seinen Ursprung in einer Clownfigur im 17.Jhdt, der eine Clownnummer mit Mehlsäcken machte, die er nicht bändigen konnte, und deshalb immer ein weißes Gesicht hatte. Pierrot – vor allem in Frankreich sehr beliebt – ist langsam, tollpatschig, verliebt und schweigsam. Berühmt ist er durch „Pedrole“, einen mondsüchtigen Schauspieler, geworden, der immer zu Vollmond in seiner Kunst über sich selbst hinauswuchs. An diesen Tagen reisten Zuschauer von überall her an, um ihn spielen zu sehen; bis zu 200 Kilometer sollen die Fans damals zurückgelegt haben, um ihn bei Vollmond zu bewundern! Noch heute gehört der Mond zum Accessoire in seine Abbildungen.

In Bali gibt es die Bondres Masken, Clownmasken aus dem Topeng, die Charaktere Penasar und Kartala, ein grobschlächtiger Großer und ein redegewandter Kleiner mit Phantasiesprache oder Nibhatkin in Burma. Aber auch das chinesische und japanische Theater kennt Clownfiguren.

Clown

1708 schuf Josef Anton Stranitzky in Wien als Konkurrenz zu den italienischen Komikern den Hans Wurst in einem Salzburger Bauernkostüm. Er konnte sich bald das Restaurant „Zum roten Dachl“ am Neuen Markt kaufen, wo er auftrat. 1712 bezog er mit seiner Truppe das 1709 neu erbaute Kärntnertor- Theater, wo später auch Opern und Ballettaufführungen stattfanden. Karl von Marinelli gründete 1781 das Leopoldstädter Theater, kurz Kaschperltheater genannt. Alle jubelten dem Kasperl zu, der eigentlich Johann Laroche hieß. Es war immer gerammelt voll, sodass die 34 Kreutzer Münze, die für einen Platz im Parterre zu bezahlen war, in der Umgangsprache ein „Kasperl“ hieß. Die Figur des Clowns hat sich dann vom Bühnenkomiker wegentwickelt, der eine Modernisierung durchmachte, und nun in Zivil auftritt.

DIE TECHNIK DER KOMIK

Der Clown bringt uns zum Lachen! Aber wie? Dazu gibt es eine eigene Technik der Komik, aus denen unterschiedliche, komische Charaktere entstanden. Jeder dieser Charaktere hat seine eigenen Regeln. Narren, die parodieren, Kabarettisten, die karikieren und Clowns, die ernste Probleme haben. Es steht immer die Intention im Vordergrund, das, was man tun will, dann kommen Hindernis, und später die Lösung des Problems, welche dieses nur noch vergrößert.

Murphys law als Anleitung zum Clowntraining:

  • Wenn etwas schief gehen kann, dann wird es schief gehen.
  • Es wird zum ungünstigsten Zeitpunkt schiefgehen.
  • Es wird so schiefgehen, dass es den größtmöglichen Schaden anrichtet.

Jaques Lecoq, der wichtigste Theater und Clownlehrer des 20.Jahrhunderts, erzählt: „In meinem ersten Clownkurs forderte ich meine Schüler auf, nacheinander die anderen zum Lachen zu bringen. Es folgten dann die unglaublichsten, phantasievollsten Dinge, einer nach dem anderen machte Wortspiele, Purzelbäume, Späße – das Ergebnis war katastrophal. Es war unglaublich peinlich und überhaupt nicht lustig. Die Leute haben plötzlich Angst bekommen, dranzukommen, und eigentlich war das richtig tragisch. Und wie dann alle so betreten, verwirrt und entmutigt da sitzen, fängt plötzlich jemand zu lachen an, dann immer mehr, und plötzlich lachen alle. Es waren nicht die Dinge, die sie gemacht haben, zum Lachen, sondern sie selbst.“

Frei nach Karl Kraus kann man sagen: Das Gegenteil von lustig, ist lustig sein wollen! Der Clown existiert nicht ohne den Schauspieler, der ihn spielt. Wir alle sind Clowns, halten uns für intelligent und schön, obwohl wir alle Schwächen haben, die eigentlich zum Lachen sind. Die Entdeckung und Verwandlung einer Schwäche in eine theatralische Kraft gibt dem Schauspieler eine ungeahnte Sicherheit um mit sich und einer Rolle umzugehen. Das ist der pädagogische Wert einer Clownausbildung – gerade auch für einen konventionellen Schauspieler. Je weniger sich ein Clown verteidigt, sondern seine Schwächen zulässt, desto stärker wird er als Clown und desto größer als Mensch. Die Phantasie ist ein Muskel, den man trainieren kann.

 

Eine Antwort

  1. Mavi sagt:

    Super vielen Dank

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