Die Rückkehr des Gentleman

Die Rückkehr des Gentleman

Gentleman

Haben Sie es gemerkt? Ein Wesen aus vergangenen Zeiten kehrt in unsere Städte zurück, es revitalisiert sich gerade vor unseren Augen, in der Politik wie auch in den Medien – eine Figur, ein Begriff, bei dem vieles mitschwingt.
In Filmen war er schon seit jeher präsent – Gregory Peck, David Niven, der „alte“ James Bond, Benedict Cumberbatch haben ihn verkörpert. In Zeitungsartikeln und Büchern wird ihm gedacht, und nun erobert der Gentleman auch die Bühne der Politik. Kofi Annan, Justin Trudeau, Emmanuel Macron erben eine alte Idee, sei es als Projektionsfläche unserer Wünsche oder als authentischer Weg der Selbstwerdung.

Der Gentleman ist da! Er ist wieder da! Doch wer ist er überhaupt?

Zunächst ist er einmal ein „man“, ein Mensch oder nur ein Mann? Meist mit einem physischen Mann assoziiert, doch was das ist, ein Mann, ist gar nicht leicht zu klären in unserer „durchgegenderten“ Welt. Seine Rolle, seine Aufgabe in der heutigen Zeit verliert sich im Nebel der Gleichmachung. Dann ist da noch der Begriff „gentle“: liebenswürdig, leise, sanft, mild sagt uns Leo.org. Ist der Gentleman also ein weicher Mann, ein Softie, gar eine Memme, ohne Kraft und Saft für große Taten?

Die Diskussion über den Gentleman berührt unsere Art der Reflexion, wie sehr wir die Oberfläche verlassen und in die Tiefe vordringen können. Wir wollen uns dem Thema philosophisch annähern und versuchen, diese Tiefe zu erkunden.

Im England des Mittelalters findet man den Gentleman als die Bezeichnung eines Standes. Männer aus der Nobilität, deren Umgangsformen auf ein Maß an Kultiviertheit und Intelligenz schließen lassen. Erkunden wir die Wortwurzel, findet sich in der kirchenlateinischen Übersetzung von gentilis die Bedeutung heidnisch oder einer fremden Religion zugehörig.

Ein Gentleman scheint also anders zu sein, eine unangepasste Note zu besitzen, eine innere Kultur mit äußerer Intelligenz verbinden zu können.

Dieser Typus ist keine Erfindung der Engländer. Er taucht schon in der Antike im Bewusstsein der Menschen auf. Konfuzius spricht vom Dsün Tse und Platon vom Aristos, beides Menschentypen mit innerem seelischen Adel und Tugendhaftigkeit, die sie für die Entwicklung ihres Staates einsetzen. Sie dienen einer höheren Sache und nicht ihrem Ego, unabhängig von Erfolg oder Misserfolg.
In der Renaissance reitet dieser Typus als Ritter, als edler Kämpfer für die Gerechtigkeit durch ganz Europa.