Folge dem Stern!

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Stern

LEGENDEN, LEGENDEN

Im Laufe der Zeit schossen die Legenden über die drei Weisen, die im östlichen und westlichen Christentum entstanden sind, derart ins Kraut, dass es unmöglich ist, auch nur den Überblick darüber zu behalten. Dementsprechend umfangreich ist auch die Literatur, trotz der knappen Erzählung im Matthäus-Evangelium.

Etwas mehr kann aus den apokryphen Evangelien – also denen, die nicht in die Bibel aufgenommen wurden – herausgelesen werden. So kennt das armenische Evangelium der Kindheit Jesu Christi drei Könige, die aus Persien, Indien und Arabien gekommen seien. Die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar stehen für die drei damals bekannten Kontinente Europa, Asien und Afrika. Erst im Jahrhundert wurde einer der Könige schwarz. Ihre unterschiedliche Herkunft soll die Universalität des Christentums verdeutlichen. Da einer jung, einer alt und einer „in den besten Mannesjahren“ ist, stehen sie auch für die drei Lebensalter des Menschen. Übrigens besteht keine Einigkeit darüber, wer welchem Alter zuzuordnen ist.

Die Gaben

Natürlich sind auch ihre Gaben hochsymbolisch:

  • Weihrauch ist die Gabe für einen Gott,
  • Gold die für einen König und
  • Myrrhe, ein desinfizierendes Harz, das man in Ägypten auch zur Einbalsamierung verwendete, ist die Gabe für einen sterblichen Menschen, der den Tod überwunden hat.

Marco Polo erzählt in seinem Reisebericht von einer „Burg der Feueranbeter“: Die drei Weisen hätten vom Jesuskind ein Geschenk bekommen, einen Stein, der im Laufe der Zeit immer schwerer wurde. Auf ihrer Rückreise, schon in Persien hätten sie ihn nicht mehr tragen können und weggeworfen. Sofort stieg eine ewig brennende Flamme auf. Bei dieser Erzählung handelt es sich vermutlich um eine christlich-nestorianische Rechtfertigung des Feuerkultes der Parsen. Die Nestorianer wurden von der Hauptströmung des Christentums als Häretiker verurteilt, konnten sich aber über ganz Asien verbreiten.

Die älteste Darstellung der drei Weisen stammt aus dem 3. Jahrhundert und findet sich auf einer Wand in den Priscilla-Katakomben in Rom. Besonders interessant sind zwei Mosaik-Darstellungen aus dem 6. Jahrhundert in Ravenna: In der Kirche San Vitale befindet sich das sehr bekannte Mosaik des byzantinischen Kaiserpaares Justinian und Theodora mit ihrem Hofstaat, die ebenfalls so wie die drei Könige Geschenke bringen. Wenn man es weiß und genau hinsieht, erkennt man diese auf dem Saum von Theodoras Mantel.

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Sehr viel deutlicher und einer eingehenden Betrachtung wert ist das Mosaik in der Kirche Sant’Apollinare Nuovo. Die drei Bringer der Gaben tragen einen kurzen Umhang und darunter lange Beinkleider, „Hosen“, die seitlich zugeknöpft werden. Wir haben hier die anaxyrides persischen Ursprungs vor uns. Auf dem Kopf der drei sehen wir die auffallende rote phrygische Mütze, die meist so wie hier mit dem Zipfel nach vorn getragen wird. Auch Götter tragen diese Mütze, zum Beispiel Mithras und Attis.

Während der Französischen Revolution war sie Symbol der republikanischen Gesinnung. Auf dem Kopf des „deutschen Michel“ wurde sie zur Schlafmütze, denn er hatte die Revolution verschlafen. Wer bei dieser roten Zipfelmütze an Gartenzwerge, Heinzelmännchen oder den Kasperle denkt, liegt auch nicht falsch.

Der Stern

Wenden wir uns nun dem Stern zu! War es ein Komet, ein Asteroid oder eine Supernova? All das ist eher zweifelhaft, obwohl es ein weitverbreiteter Glaube ist, dass die Geburt einer Persönlichkeit von Weltbedeutung von außergewöhnlichen Himmelsphänomenen begleitet wird. Die Heiligkeit der Himmelskörper geht ebenso wie ihre Erkundung auf die mesopotamischen Kulturen zurück. Mit ihnen waren die Israeliten während ihrer „babylonischen Gefangenschaft“ unter Nebukadnezar II. zwischen 597 und 539 v. Chr. in Kontakt gekommen. Vielleicht war der Stern aber auch ein Engel – im astronomisch-astrologischen System ist die Gleichsetzung von Stern und Engel häufig.

GESCHICHTE NACH DER ZEITENWENDE

Kaum eine christliche Erzählung, ausgenommen vielleicht die der Verkündigung, wurde von den Künstlern im Laufe der Jahrhunderte so häufig dargestellt wie der Zug der Heiligen Drei Könige nach Bethlehem.
Eine Legende besagt, dass Bischof Eustorgius von Mailand die Reliquien der drei Weisen vom byzantinischen Kaiser als Geschenk erhielt. Sie wurden in der gleichnamigen Kirche Sant’Eustorgio aufbewahrt. Die Reliquien und ihr Kult waren verhältnismäßig unbekannt gewesen, bis der kaiserliche Kanzler und Erzbischof von Köln Rainald von Dassel sie 1164 nach der Zerstörung der Stadt durch Kaiser Barbarossa in den Kölner Dom bringen ließ. Kurz darauf begann die Arbeit an dem Schrein, der ihre sterblichen Überreste beherbergt und der immer noch Ziel zahlreicher Pilger ist. Sie werden von der katholischen Kirche als Heilige verehrt. Ihr Festtag ist der 6. Januar.


Die Kirche Sant’Eustorgio hatte zwar ihre Reliquien verloren, wurde aber dank des franziskanischen Krippenkultes zum „neuen Bethlehem“. In Florenz veranstaltete man im 15. Jahrhundert unter dem Patronat der Medici Umzüge zu Ehren der Heiligen Drei Könige, denen sich die ganze Stadt anschloss: In beiden Fällen ging es um eine „Heiligung“ des Stadtgebietes, also um eine religiös-politische Handlung. Die drei Weisen, Patrone der Könige und Ritter, aber auch der Wissenschaftler, der Händler, Reisenden und Pilger, wurden nun definitiv zu Königen.

Als solche drückten sie die Aspiration der Medici aus, die als Händler nach Höherem strebten. Die Familie stellte insgesamt drei Päpste. Ab dem 16. Jahrhundert stiegen die Medici zu Großherzögen der
Toskana auf. Am weitesten brachte es Caterina de’ Medici, die durch Heirat Königin von Frankreich wurde.

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort an all diejenigen richten, die sich eventuell durch meine Benennung der Erzählung im Matthäus-Evangelium als „Legende“ gekränkt fühlen. Ich möchte niemanden verletzten. Vielleicht finden wir in der Nachfolge der weisen, wunderwirkenden Besucher aus dem Osten einen gemeinsamen Bezugspunkt im Stern. Sie brachen auf, als sie ihren Leitstern entdeckten.

Also folge dem Stern! Folge deinem Stern!


Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 179 des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.