Der Zweck heiligt nicht alle Mittel – Machiavelli

Der Zweck heiligt nicht alle Mittel – Machiavelli

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Bis heute ist es üblich, sich zu empören und sein Denken abzulehnen, sobald auch nur sein Name erwähnt wird. Sein Hauptwerk „Der Fürst“ gehörte zu den wirkmächtigsten Büchern des 16. und 17. Jahrhunderts, Friedrich II. von Preußen verfasste noch im Jahre 1740 einen „Anti-Machiavel“, musste sich jedoch am Ende seines Lebens eingestehen, dass Machiavelli wohl doch recht hatte. „Machiavellismus“ wird bis heute mit politischem Verbrechertum und amoralischem Machtstreben gleichgesetzt.

Tatsächlich gab es in der Geschichte der Philosophie kaum Denker, die mit einer solchen Offenheit, Aufrichtigkeit und Unverschämtheit die Vorteile von Lügen, Intrigen und inszenierter Tugendhaftigkeit für Herrschende analysierten wie er. Zugleich aber zählt Machiavelli neben Epikur auch zu den am häufigsten missverstandenen Denkern.

Kein Gesetz ist vor Gott und den Menschen lobenswerter als die Ordnung, die eine wahre, einige und heilige Republik begründet, in der man frei beratschlagt, klug diskutiert und das Beschlossene getreulich ausführt.

Sein Idealstaat ist keine Diktatur, sondern eine Republik und basiert teils auf utilitaristischen Motiven.

Seine Analysen waren empirisch faktenorientiert und wenn einem erst einmal die desolaten politischen Umstände seiner Zeit sowie sein Menschenbild klar werden, wird auch sein Denken nachvollziehbar.

Machiavelli und die politische Umstände seiner Zeit

Machiavelli lebte in einer Zeit, in der Italien in Fürstentümer aufgeteilt war und Stadtstaaten jederzeit mit Krieg rechnen mussten. Alles hing von instabilen Bündnisverhältnissen mit Spanien, dem Papst und Frankreich ab.

Sein eigentliches Metier war nie allein die Philosophie, sondern die politische Praxis, in deren Interesse er von 1498 bis 1512 für seine Heimatstadt Florenz als Beamter, Diplomat und politischer Berater tätig war. Er führte eine Heeresreform durch, war mit zahlreichen diplomatischen Missionen und einmal sogar mit der Rückeroberung Pisas beauftragt, wofür er auch mit Leonardo da Vinci zusammenarbeitete.

Auf seinen ausgedehnten Reisen zu den damaligen Machtzentren Europas war er stets daran interessiert, von den Mächtigen zu lernen. Wäre er von adeliger Abstammung gewesen, hätte er wegen seines hohen diplomatischen und rednerischen Geschicks politisch weit mehr erreichen können. Doch 1512 wendete sich das Blatt gegen ihn und er wurde wegen des Verdachts der Mitbeteiligung an einer Verschwörung gegen die Medici, die nun den Papst stellten und die Kontrolle über Florenz erlangten, seiner Ämter enthoben und auf ein kärgliches Landgut verbannt.

Einer Hinrichtung entging er nur knapp, obwohl er zu den schärfsten Kritikern des Papsttums gehörte. Hier nun, nachdem er sich nicht mehr politisch betätigen konnte, vollendete er seine beiden Hauptwerke:

  • „Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio“ (1531) und
  • „Il Principe“ (1532). Il Principe („Der Fürst“)

war Lorenzo de Medici gewidmet, sollte ihn milde stimmen und umfasst die wichtigsten Prinzipien, die ein Fürst beachten müsste, um an der Macht zu bleiben. Es ist eines der ersten Werke politischer Philosophie, das von dem Grundsatz ausgeht, dass ein Herrscher auch bereit sein müsse, die traditionellen (christlichen) Normen zu brechen.

Die Bedingungen politischer Stabilität

Sein philosophisches Kernanliegen war stets eine möglichst klare und nüchterne Analyse der Bedingungen politischer Stabilität unabhängig von moralischen Dogmen. In seinem zweiten Hauptwerk, „Discorsi“, kommentiert er die ersten zehn Bücher des Titus Livius zur Geschichte Roms und analysiert die Bedingungen erfolgreicher Machtpolitik.

Machiavelli war davon überzeugt, dass wir aus der Geschichte und den Fehlern anderer lernen können und dies auch tun sollten.

Dabei war er vor allem eines: ein Realist, der niemandem etwas vormachen wollte. Zugleich war er ein enttäuschter Nationalist, der das Trauma des Machtzerfalls Roms seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. bis zu seiner Zeit (Renaissance) nicht untätig hinnehmen wollte. Er träumte von einem geeinten Italien, das die 1000-jährige Fremdherrschaft ausländischer Mächte abwehren und die eigene innere Gespaltenheit überwinden kann. Doch dazu brauche es einen Fürsten, der bestimmten Einstellungen und Prinzipien folgt. Aufmerksam studierte Machiavelli speziell das Verhalten eines Fürsten, der vor nichts zurückzuschrecken schien: Cesare Borgia, der Sohn des damaligen Papstes Alexander IV.

Nur wer ähnlich hinterhältig, unberechenbar und raffiniert agiere wie er, sei in der Lage, Italien zu einen. Obwohl er ihn menschlich sogar verabscheute, bewunderte er seine Geschicklichkeit, die er anhand von Tugenden analysierte. Ein Herrscher sei in kürzester Zeit verloren, wenn er stets moralisch gut handle.

Doch nicht unter allen Umständen gilt nach Machiavelli, dass der politische Erfolg alle Mittel heiligt. Genau in diesem Punkt wurde er häufig missverstanden, denn politische Stabilität galt ihm als Voraussetzung für soziale Wohlfahrt. Er kritisierte sogar das Papsttum für sein politisches Machtstreben und den damit verbundenen Sittenverfall.

Machiavelli war wohl ein ganz anderer Mensch als die Vorurteile und Anfeindungen gegen sein Denken vermuten lassen.

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 156 (2/2019) des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.

Literaturhinweis

  • GRABNER-HAIDER, Anton: 2009. Die wichtigsten Philosophen. Wiesbaden: Marix
  • HOEGES, Dirk: 2000. Niccolo Machiavelli. Die Macht und der Schein. München: C.H. Beck
  • KERSTING, Wolfgang: 2006. Niccolo Machiavelli.
    München: C.H. Beck (beck’sche Reihe denker)
  • RUSSELL, Bertrand: 2004: Philosophie des Abendlandes. Aus dem Englischen von Elisabeth FischerWernecke.
    München: Piper
  • SCHNEIDER, Thomas: 2015. Niccolo Machiavelli. In: Bernd LUTZ (Hg.): Metzler Philosophen-Lexikon. Sonderausgabe.
    Stuttgart: J.B. Metzler

 

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