Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Wie der Ballon mit bunter Freude und Leichtigkeit einen Weg über den Alltag hinaus zeigt.

Bei Sommerfesten und auf dem Jahrmarkt sind die großen Trauben von Ballons in allen Farben und Formen schon von Weitem zu erkennen. Sie sind Wegweiser zum Trubel, zur Leichtigkeit des Vergnügens und zum Moment unbeschwerter Freude. Gerne kaufen und verschenken wir einen Ballon und nehmen dadurch ein Stück dieser Leichtigkeit herein in den Alltag, auch wenn wir wissen, dass sich Glück und Freude nicht kaufen lassen. In diesen Ballons steckt die Erinnerung an die Kindheit, als wir das erste Mal in freudiger Erregung und voller Staunen einen Ballon sahen.

DER BALLON – VIEL LUFT UM FAST NICHTS

Der Ballon hat die gleiche etymologische Wurzel wie die Wörter Ball, Ballen sowie muss dabei keine Kugel sein, sondern kann beliebige Formen annehmen. Die Grundeigenschaft liegt in einer formbaren Hülle, die komplett ausgefüllt ist. Später festigte sich die Bedeutung, dass der Ballon eine mit Luft oder Gas gefüllte dünne Hülle ist, während der Ball eine dickere und damit schwere Hülle hat und Polster mit festem Material ausgestopft sind. Ganz anschaulich und ohne die Mathematik verstehen zu müssen, lehrt uns der Luftballon den Zusammenhang zwischen größtmöglichem Volumen bei kleinstmöglicher Oberfläche, wenn er beim Aufpusten immer mehr zur Kugel wird.

DER TRAUM VOM FLIEGEN

Die Naturforscher im 18. Jahrhundert erkannten, dass die Natur nicht durch göttliche Laune, sondern nach erforschbaren Prinzipien funktioniert. Man fand heraus, dass es Gase gibt und die Luft auch ein Gas ist. Man fand ebenso heraus, dass Wasserstoff ein Gas und leichter als Luft ist und wie man es gewinnen kann. Ferner entdeckte man den Luftdruck und man registrierte, dass heiße Luft leichter als kalte Luft ist. In Frankreich war es dann 1783 so weit, dass diese Erkenntnisse zusammen mit Mut und Abenteuergeist in die Praxis umgesetzt wurden. Die Brüder Montgolfier setzten auf das Prinzip der heißen Luft, die eine dünne Seidenhülle aufbläht und als Ballon in die Lüfte hebt. Man glaubte jedoch zunächst noch, dass beim Verbrennen von Stroh eine besondere, unbekannte Substanz entstehen
würde, die leichter alsWie der Ballon mit bunter Freude und Leichtigkeit einen Weg über den Alltag hinaus zeigt Luft sei. Kurz danach ließ Jacques Charles einen mit Wasserstoffgas gefüllten Ballon in die Luft steigen. Als weiteres Experiment wurden anschließend mit beiden Ballonarten auch erstmals Menschen erfolgreich in die Lüfte erhoben. Zwar haben wir durch Flugzeuge heute effizientere Methoden zu fliegen, doch die Ballonfahrt fasziniert noch immer.

Ballonfahrt

DER DRANG NACH OBEN

Ob mit Gas oder heißer Luft gefüllt, kennt der Ballon nur eine Bewegung: Fort von der Erde und hoch in den Himmel, als gäbe es keine Schwerkraft. Der Ballon verkörpert den Wunsch des Menschen nach einem unbeschwerten und sorglosen Leben, bei dem es nicht darauf ankommt, schnell ein Ziel zu erreichen. Stattdessen steigt man in die Lüfte und wird Teil des Himmels, wo der Wind die Richtung und die Geschwindigkeit bestimmt und man nur die Flughöhe beeinflussen kann.
Unser Bewusstsein ist wie dieser Ballon. Es erhebt sich von selbst, wenn es uns gelingt, den Ballast aus erdrückenden Sorgen, negativen Gedanken und belastenden Gefühlen loszulassen.

DER TRAUM VON FREIHEIT

Die Ballonfahrten von 1783 wurden als Vorzeichen für den Aufbruch in die Freiheit angesehen. Wenn der Mensch irdische Fesseln sprengen kann, wird er auch die durch kirchliche Macht und Monarchie herrschende Unfreiheit überwinden können. So wurde die Ballonfahrt mit den Ideen des Aufbruchs in eine neue Zeit durch die Französische Revolution 1789 verbunden. Es entstand das starke Bild, politischen Zwängen ohne Anwendung von Gewalt entfliehen zu können, indem man einfach in die Luft aufsteigt und sich vom Wind in die Freiheit tragen lässt.
Wenn bei Kundgebungen scharenweise Ballons freigelassen werden und in die Luft aufsteigen, soll damit die Idee einer sanften, friedvollen, allerdings ebenso unaufhaltsamen Veränderung für mehr Freiheit, mehr Frieden oder allgemein einer besseren Welt Ausdruck verliehen werden.
Dass durch den sanften Ballon auch eine Gefährdung ausgehen kann, passt nicht in dieses Idealbild. Es irritiert, dass der Ballon einer bösen Sache dient, wenn er still schwebend spioniert und fremdes Gebiet ausspäht. Wir wollen Wie der Ballon mit bunter Freude und Leichtigkeit einen Weg über den Alltag hinaus zeigtnicht wahrhaben, dass Ballons, die sich in Oberleitungen verfangen, den Schienenverkehr gefährden und die schlappen Hüllen entflogener Ballons die Umwelt verschmutzen.

DIE LEHREN VOM LOSLASSEN

Der mit Helium gefüllte Jahrmarktballon gleicht einem buddhistischen Meister, der uns die Gelegenheit schenkt, über die Vergänglichkeit nachzudenken und das Loslassen zu lernen. Die erste Lektion geschieht meistens unabsichtlich. Schon Kinder lernen diese Lektion durch Schmerz, wenn der Ballon entflieht, weil man die Schnur nicht festgehalten hat und den Vorschlag, die Schnur am Handgelenk festzubinden, abgelehnt hatte. So folgt auf das unfreiwillige Loslassen die Chance, innerlich loszulassen, dem Ballon nachzuschauen und sich darüber zu freuen, wie hoch und weit er wohl fliegen wird.
Als zweite Lektion für die unmittelbare Folge von Ursache und Wirkung reagiert der Ballon bei mangelnder Sanftheit mit Zerplatzen. Dann gilt es, vielleicht etwas wehmütig, die übrig gebliebenen Fetzen loszulassen. Doch auch wenn der Ballon mit viel Achtsamkeit vor diesen Gefahren bewahrt wurde, ist er nicht langlebig. Das Gas entweicht unaufhaltsam und zurück bleibt die schlaffe Hülle.
Auch dies fordert uns auf, loslassen zu lernen und die Botschaft des Ballons zu verstehen: Erhebe dein Bewusstsein und lebe den Augenblick.

Ballon - Loslassen

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 173 des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.