Es war einmal das Wort

Es war einmal das Wort

Grimm Märchen

Was die Brüder Grimm mit der deutschen Sprache zu tun haben.

Kinder- und Hausmärchen: Damit assoziieren wir die Gebrüder Grimm. Wer weiß aber, dass die Geschwister zu den Gründungsvätern der Germanistik gehören?

Die Brüder Grimm wurden kurz vor der Französischen Revolution geboren und lebten während einer unruhigen Zeit in einem zersplitterten Deutschland. Da Deutschland von den Truppen Napoleons besetzt war, sehnte man sich nach der alten Größe und richtete den Blick in die Vergangenheit.
So haben auch Jacob und Wilhelm Grimm versucht, das Alte vor dem Vergessen zu bewahren. Ihr Blick richtete sich jedoch nicht starr rückwärts auf die Vergangenheit, sondern sie waren sich der fortwährenden Weiterentwicklung bewusst. Vor allem der ältere Bruder Jacob widmete sich der deutschen Sprachgeschichte, Wilhelms Verdienst lag in seinen literarischen Fähigkeiten, die sich in den Märchen niederschlugen.

METHODIK

Gebrüder Grimm

Bei der wissenschaftlichen Arbeit gingen die Brüder Grimm von unscheinbaren Details aus. Für sie war das Unbedeutende vorrangig gegenüber dem Großen. Nicht das Spektakuläre, Sensationelle und Große sei forschungswürdig, sondern das, was man leicht übersieht. Aufmerksamkeit gegenüber unscheinbaren Details war bedeutend. So versuchten sie nach dem Gesetz „Wie im Großen, so im Kleinen“ auf umgekehrte Weise sich dem Großen anzunähern, auf der Suche nach dem Ursprung. Sie wollten eine Einheit wiederherstellen, zu einer Zeit, als es in Deutschland keine Einheit gab.
Ausgangspunkt dieser Herangehensweise sahen die Brüder in der Aufmerksamkeit eines Kindes. Wenn man die Welt wie ein Kind betrachtet, dann beachtet man jede scheinbar belanglose Kleinigkeit. Wenn man diese übersieht, bestehe die Gefahr, dass sie verloren gehen würde, vor allem in der unbeständigen Zeit. Die Brüder nahmen die Vergangenheit als flüchtig wahr und die Gegenwart als sehr schnelllebig. So sahen sie es als ihre Aufgabe, das Vergangene vor dem Vergessen zu bewahren, damit man die Zusammenhänge in der Geschichte verstehen kann.
Da es nicht wie in Frankreich eine politische Einheit gab, beschränkte sich die Einheit in Deutschland auf die gemeinsame Sprache und Geschichte. Daraus ergab sich die große Bedeutung für die Brüder, sich der deutschen Sprache zuzuwenden und sie zu erforschen.

DIE DEUTSCHE GRAMMATIK

1819 erschien der erste Band der „Deutschen Grammatik“, mit der Jacob Grimm einen Grundstein für die deutsche Sprachwissenschaft gelegt hat. Der Dichter Heinrich Heine würdigte dieses Werk:

„Der einzige Jacob Grimm hat für Sprachwissenschaft mehr geleistet als Eure ganze französische Akademie seit Richelieu. Seine deutsche Grammatik ist ein kolossales Werk, ein gothischer Dom, worin alle germanischen Völker ihre Stimmen erheben wie Riesenchöre, jedes in seinem Dialekte.“

Jacob hat versucht, die geschichtliche Entwicklung und Herkunft der germanischen Sprachen sowie ihre Beziehung zueinander zu rekonstruieren. Dabei hat er die germanische Lautverschiebung beschrieben, die heute noch gültig ist.

Die erste Lautverschiebung – im Englischen auch „Grimm’s Law“ genannt – beschreibt die Herauslösung der germanischen Sprachen aus den indogermanischen. Dabei verschoben sich die stimmhaften Verschlusslaute (b, d, g) zu stimmlosen (p,t und k): labium=> Lippe; duo=>twai (zwei); ager=>Acker. Auch die behauchten Verschlusslaute verschoben sich zu stimmhaften (bh=>b, dh=>d, gh=>g).

  • Der Prozess dieser ersten Lautverschiebung vollzog sich circa von 1000 bis 500 v. Chr., verbunden mit Änderung der Betonung (Akzentwandel) und Ausbildung von starken und schwachen Verben.
  • Die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung fand etwa 500 bis 800 n. Chr. statt. Sie beschreibt die Trennung vom Nieder- zum Hochdeutschen.

Jacob sah in der Entwicklung der Sprache einen Verfall von ursprünglich vollkommener Sprache – in einer Gesellschaft im Naturzustand – zu einer verstärkt abstrahierten in den höher entwickelten Gesellschaften.
Ziel seines Werkes „Die Deutsche Grammatik“ war für Jacob nicht, die Grammatik zu definieren oder festzunageln. Er sah die Sprache als ein lebendiges Wesen an, das sich immerzu weiterentwickelt. So schrieb er im Vorwort der Grammatik: „Allgemeinlogischen Begriffen bin ich in der Grammatik Feind; sie führen scheinbare Strenge und Geschlossenheit der Bestimmungen mit sich, hemmen aber die Beobachtung, welche ich als die Seele der Sprachforschung betrachte.“