Glaubst du noch oder denkst du schon? – Der Glaube in den Wissenschaften

Glaubst du noch oder denkst du schon? – Der Glaube in den Wissenschaften

Wissenschaften

Mit diesem (leider polemischen) Motto wird heute mitunter der Gegensatz von Wissenschaft und Religion kommentiert. Das Denken wird dabei als rationaler Gegenpart zum „irrationalen“ Glauben hingestellt. Auch wenn die Wissenschaft in ihren Ursprüngen versuchte, das stark auf Glauben basierende mittelalterliche Denken zu überwinden, entbehren die inzwischen aufgespaltenen Wissenschaften keineswegs des Glaubens. Mehr noch, die Wissenschaften sind auch ein Glaubenssystem – nur ein anderes als die Religionen.

Der Glaube und die Entstehung der Wissenschaften

Die Renaissance versuchte den Glauben aus den Fesseln der Offenbarung zu befreien. Descartes und der Rationalismus trennten danach das Denken (res cogitans – das denkende Ding) von der Materie (res extensa – das ausgedehnte Ding). Damit spalteten sich die Wissenschaften in die Geistes- und Naturwissenschaften. Der Empirismus konzentrierte sich auf das, was durch die Sinne erfasst werden kann und hat den geistigen Aspekt beiseitegeschoben. Später passte er gar nicht mehr zur Denkweise und musste „beseitigt“ werden. Denn welche Relevanz haben Messdaten, wenn sie jederzeit durch eine geistige Entität, sei es Gott oder einen Geist, verändert werden können?

Diese Abspaltung des Geistigen erfolgte keineswegs aus einer wissenschaftlichen Erkenntnis, sondern aus einer einfachen Annahme.

Der Glaube an die Existenz des Göttlichen wurde allmählich ersetzt durch den Glauben an die Nicht-Existenz des Göttlichen.

Hier sei bemerkt, dass beide Positionen berechtigt sind, denn keine verfügt über einen unbezweifelbaren Beweis ihrer Gültigkeit. Aber andererseits verfügt auch keine Position über einen unbezweifelbaren Beweis der Ungültigkeit der Gegenposition.

Hypothesen sind Glaubenssätze!

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Unsere Sinne, auch wenn man sie durch wissenschaftliche Instrumente ergänzt, können uns nicht nur täuschen, sondern sind prinzipiell begrenzt. Das „Gesehene“ bzw. Gemessene ist vielfach nicht unmittelbar einsichtig. Man muss es „erklären“ und mit anderen Messergebnissen in Einklang bringen. Man versucht somit die durch Sinne und Messinstrumente „wahrgenommenen“ Phänomene durch Hypothesen zu erklären.

Der Begriff „Hypothese“ stammt vom altgriechischen und bedeutet so viel wie „Unterstellung“. Eine Hypothese ist eine Aussage, deren Gültigkeit man für möglich hält, die aber nicht bewiesen oder verifiziert ist. Dieses „Für-möglich-Halten“ ist somit eine Art von Glauben an die Richtigkeit der Hypothesen.

Wer glaubt hier?

Zunächst sollten es jene Wissenschaftler sein, welche die Hypothese aufstellten. Andererseits sind sich aber gerade die eine Hypothese formulierenden Wissenschaftler der Relativität, der Irrtumsmöglichkeit und der Vorläufigkeit der in der Hypothese gemachten Aussage bewusst. Es ist also nicht so sicher, ob der die Hypothese formulierende Wissenschaftler an seine Hypothese glaubt.

Durch Lesen von wissenschaftlichen Artikeln entsteht nicht „Wissen“, sondern vor allem „Meinung“.

Wenn nun eine Hypothese publiziert ist, wird sie den Lesern zugänglich. Diese sind aber nicht mehr mit der Versuchsanordnung, der Messdurchführung und schon gar nicht mehr mit den vielfältigen Messergebnissen vertraut. Jede Publikation ist eine starke Zusammenfassung und Vereinfachung aller bei der Forschung vorhandenen Umstände und Ergebnisse. Der Leser kann also die Gültigkeit der Aussage nicht mehr so recht beurteilen und kann nur mehr daran glauben oder zweifeln. Dabei ist aber auch der Zweifel eine Art von Glauben, denn dem Leser fehlt weitgehend die Möglichkeit, die Richtigkeit oder auch die Falschheit der in der Publikation gemachten Aussagen zu überprüfen.

Was hier entsteht, ist im philosophischen Sinne nicht „Wissen“, sondern „Meinung“ – zustimmend oder ablehnend. Meinungen können richtig oder falsch sein, aber es gibt keine Gewissheit. Und damit ist ein Großteil des Denkens von Wissenschaftlern eher ein Meinen bzw. ein Glauben.

Wissenschaftliche Aussagen und Glaube

Wer annimmt, in den Schulbüchern stehe verbindlich, was die Wissenschaftler für richtig halten, der irrt. Es gibt in den Wissenschaften keine Institution, welche die Richtigkeit einer wissenschaftlichen Theorie bestätigen könnte. „Richtig“ ist, was die Mehrheit für „richtig“ hält, also glaubt. Ist man damit auf der richtigen Seite? Sehr oft nicht, denn der wissenschaftliche Fortschritt passiert nicht demokratisch.

Die großen Paradigmenwechsel werden von Wissenschaftlern gemacht, deren Ansichten sich nicht an geltende Theorien halten. Der Fortschritt ergibt sich in den Wissenschaften gerade aus der Überwindung der vorherrschenden Meinungen.

Üblicherweise werden in Schulbüchern stehende wissenschaftliche Aussagen als so fundiert angesehen, dass eine genaue Überprüfung nicht nötig erscheint. Verstärkt wird dies dadurch, dass es bei vielen Aussagen nur sehr schwierig bis gar nicht möglich ist, eine eigene Untersuchung zu machen, mit welcher man die in dem Lehrbuch dargestellten Aussagen überprüfen könnte.

Wenn Hypothesen auf Hypothesen aufbauen

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Etwa in der Zeit von Einstein bzw. sehr stark durch ihn begann sich eine konstruktivistische Tendenz in den Wissenschaften durchzusetzen. Diese äußerte sich darin, dass man Hypothesen, also wissenschaftliche Unterstellungen, zunehmend freier formulierte. Dies mag mit dem Aufkommen eines immensen physikalischen Interesses zu tun haben. Als Folge wurden Lehrkanzeln für „Theoretische Physik“ eingerichtet. Diese hatten kein Labor und die „theoretischen“ Physiker hatten damit kaum Möglichkeiten, wissenschaftliche Hypothesen selbst zu überprüfen.

Um als theoretischer Physiker bekannt zu werden, mussten die aufgestellten Hypothesen Aufmerksamkeit erregen, also unkonventionelle Lösungen bieten. Wenn sich kein Experimentalphysiker, also Physiker mit eigenem Labor, daran machte, die aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, dann blieben diese unbewiesen, aber auch unwiderlegt.

Wenn unbewiesene Hypothesen auf andere nicht bewiesene Hypothesen aufbauen, entstehen wissenschaftliche Kartenhäuser.

Problematisch ist aber die Fülle des Auftretens von noch unbewiesenen Hypothesen. Hypothetische, also unbewiesene „Unterstellungen“ existieren oft kaum unterscheidbar neben gut belegten Aussagen.

Wenn ein Wissenschaftler eine – seine eigene – Hypothese ausformulieren und begründen will, sucht er üblicherweise andere wissenschaftliche Aussagen, die seinen Hypothesen unterstützen könnten. Dabei ist es oft auch für ihn nicht transparent, wie gut die zur Bestätigung der eigenen Hypothese herangezogenen anderen Hypothesen auch belegt sind.

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Ein Wissenschaftler, dessen Hypothese nun genannt und diskutiert wird, wird nun mithelfen, dieses Interesse aufrechtzuerhalten und seinerseits seine Kollegen unterstützen. Auf diese Weise können aus vielen weitgehend unbewiesenen Hypothesen ganz umfangreiche Theoriegebäude entstehen, die aber einen großen Nachteil haben: Obwohl sie umfassend „aussehen“, ist der Grad ihrer Bewiesenheit nun praktisch auf 0 gesunken. Solche Theorien sind Fantasieprodukte, die innerhalb der Wissenschaften zu Glaubensgemeinschaften – man spricht von Paradigmen oder Lehrmeinungen – führen.

 

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