HERZ-Denken – Von der Vergangenheit befreien, aus der Zukunft leben
Dass unser Herz Neuronen besitzt, ist längst bekannt. Dass unser Herz das Gehirn und damit auch unser Verhalten wesentlich beeinflusst, gehört zu den spektakulären Entdeckungen der letzten Jahrzehnte. Dass unser Herz ein 5000-mal stärkeres elektromagnetisches Feld besitzt als unser Gehirn, weiß man erst seit Kurzem. Doch was all dies für unser tägliches Leben bedeutet, wird zu wenig beachtet.
Im Alltag der alten Ägypter spielte das Herz die zentrale Rolle, während das Gehirn unbedeutend war. Kein weiches, ein „hartes“ Herz erstrebten die alten Ägypter. Ein „Herz aus Stein“, das wie ein Fels in der Brandung den Versuchungen und Einflüsterungen der instinkthaften und niederträchtigen Natur der menschlichen Persönlichkeit widersteht. Das Herz war Sitz des Gedächtnisses und der Intelligenz. Nur ein festes Herz war zu Selbstbeherrschung und besonnenem Verhalten fähig. In ähnlicher Weise galt den Sufi-Mystikern das Herz als Sitz der Weisheit, wodurch die Brücke zu Gott hergestellt werden konnte. Auch im tibetischen Buddhismus gilt das Herz als Sitz von innerem Wissen und Gewissen.
Warum wir auf unser Herz hören sollten
All diese Erkenntnisse und Betrachtungen der alten Kulturen scheint unsere moderne Wissenschaft nun zu bestätigen. Unser Herz „spricht“ unaufhörlich. Wissenschaftlich gesehen tut es dies zunächst in Form seines Rhythmus. Man nennt diesen „Herzfrequenz-Variabilität“. Dies bedeutet, dass unser Herzschlag nicht gleichmäßig, sondern variabel ist. Je gleichmäßiger, umso gefährlicher, bis zur Lebensgefahr. Die Variabilität jedoch soll nicht chaotisch, sondern harmonisch sein. Negative Gefühlszustände wie Ärger, Sorgen oder Angst führen unmittelbar zu disharmonischen, scharf gezackten Verläufen, während positive Gefühlszustände wie Freude, Liebe, Wertschätzung einen harmonisch schwingenden Verlauf zeigen.
Negative Gefühlszustände wie Angst oder Wut führen zu einer unharmonischen, scharf gezackten Kurve.
Positive Gefühlszustände wie Dankbarkeit oder Mitgefühl führen zu einer harmonisch schwingenden Kurve.
Wenn nun unser Gehirn durch die Wahrnehmung einer gefährlich erscheinenden Situation Erregungssignale an den Körper sendet, wird im Normalfall auch das Herz seinen Puls beschleunigen. Doch die Beobachtung zeigt, dass nicht selten das Gegenteil der Fall ist. Das Herz verlangsamt seine Aktivität. Es scheint kritisch zu überprüfen, ob die vom Gehirn „befohlene“ Erhöhung des Herzschlags auch wirklich sinnvoll ist. Es reagiert also gleichermaßen weisheitsvoll und besonnen. Und noch mehr: Es sendet an das Gehirn die Information, was nun die angemessene Reaktion sein soll, wodurch letztlich das Herz unser Verhalten wesentlich beeinflusst.
„Verschobene Referenzlinien sind in unserer Gesellschaft epidemisch. Können solche verschobene Referenzlinien wieder zurechtgerückt werden?“
Dass die Herz-Gehirn-Kommunikation auf solche Weise funktioniert, setzt ein inneres Gleichgewicht im Menschen voraus. Etwas, das die Wissenschaft als „Zustand der Kohärenz“ bezeichnet. Im Volksmund würde man sagen: Man ist in seiner Mitte, mit sich selbst im Einklang. Dann sind wir in der Lage, auf unser Herz zu hören. Der Zustand der Kohärenz unterstützt sogar unser logisches Denken und damit unser besonnenes Verhalten, während der Zustand der Inkohärenz das Denken behindert und sogar ausschaltet. Panik- und Amok-Handlungen passieren, wenn wir aus unserer Mitte fallen und außer uns geraten.