Gewaltfreie Kommunikation: mit dem Herzen hören

Gewaltfreie Kommunikation: mit dem Herzen hören

Gewaltfreie Kommunikation

Ich war angespannt – das Gespräch würde schwierig werden. Es war abgesprochen, dass Mirko seine Aufgabe per Anfang November übernimmt. Jetzt erfuhr ich, dass sich das Projekt um einen Monat verzögern würde. Als wir den einleitenden Small-Talk beendet hatte, kamen wir zum Konfliktthema und ich stellte fest: „Ich habe gehört, dass du erst im Dezember anfangen kannst, ausgemacht war aber November.“ Mirko schwieg kurz und antwortete: „Lass uns über Bedürfnisse reden.“

Die „Sprache der Bedürfnisse“ ist ein Element der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GFK) nach Marshall B. Rosenberg. Ich hatte schon einiges darüber gelesen und auch schon Workshops und Trainings zu diesem Thema veranstaltet. Doch es gelingt mir nicht immer, die theoretischen Kenntnisse in schwierigen Situationen anzuwenden. Und so war die Erfahrung mit Mirko wertvoll, weil ich am eigenen Leib erfahren hatte, wie ein Konflikt im Handumdrehen eine befriedigende Lösung findet.

WAS IST DIE „GEWALTFREIE KOMMUNIKATION“?

Kommunikation

Die Gewaltfreie Kommunikation entstand aus Rosenbergs Auseinandersetzung mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie ist inspiriert von der klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Carl Rogers mit dem zentralen Element des „Aktiven Zuhörens“.
Und sie ist auch beeinflusst von Gandhis ahimsa (Gewaltfreiheit), die auf den Upanishaden basiert – also uralten indischen Weisheitstexten.


Grundlage ist das „positive Menschenbild“, d. h. jeder tut das Beste, was er/sie zurzeit machen kann, und es gibt immer gute Absichten, Beweggründe und Bedürfnisse hinter einzelnen Handlungen.
Außerdem ist jeder Mensch gern bereit, etwas für einen anderen zu tun, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Schädigende oder verletzende Handlungen sind nicht Ausdruck des wahren inneren Wesens, sondern die „fehlgeleitete“ Strategie eines eigentlich positiven Impulses.


Jede Form von Gewalt ist der tragische Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses.
Rosenberg unterscheidet zwei Arten zwischenmenschlicher Kommunikation, die „Gewaltfreie Kommunikation“ („Giraffensprache“) und die „lebensentfremdende Kommunikation“ „Wolfssprache“).

Leider benützen viele Menschen heute die Wolfssprache, die aus dem Menschenbild des Wettbewerbs und der Konkurrenz entstanden ist. Auch wenn die modernsten Forschungen zeigen, dass wir Menschen eher auf Kooperation als auf Wettbewerb angelegt sind, hat sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt.

DIE WOLFSSPRACHE

Die „lebensentfremdende Kommunikation“ im Sinne des „bösen Wolfes“ blockiert die Verbindung zwischen Menschen und ist häufig konfliktiv. Sie ist gekennzeichnet durch:

  1. Das (moralische) Urteilen über das Gegenüber und das Zuschreiben von Eigenschaften wie du bist „gut oder böse“, „gerecht oder ungerecht“, „faul oder fleißig“.
  2. Drohungen, Vorwürfe, Vergleiche wie: „Frau Maier schafft die Abrechnung viel schneller.“
  3. Das Hervorrufen von Schuldgefühlen, zum Beispiel: „Ich bin krank geworden, weil du mich unterdrückst.“.
  4. Verallgemeinerungen: immer, ständig, nie wie zum Beispiel: Ständig lässt du alles herumliegen; man kann niemandem vertrauen; keiner hört mir zu.
  5. Das Leugnen der Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen wie zum Beispiel „Ich fühle mich provoziert/ vernachlässigt.“ Oder: „Ich musste das tun, der Chef hat es angeordnet.“
  6. Fordern statt bitten. Einer Bitte oder einem Wunsch kann, muss man aber nicht nachkommen. Eine Forderung kann man nicht abschlagen, denn es drohen Strafen. Diese müssen nicht immer offensichtlich sein, sondern können auch in Rückzug oder Schweigen bestehen.

Diese Art der Kommunikation ist weit verbreitet; in schwierigen Situationen greifen wir automatisch auf diese angelernte Verhaltensweise zurück. Dabei sucht man nach dem Schuldigen und arbeitet mit Belohnung oder Bestrafung.

Der Neurobiologe Gerald Hüther meint, dass wir dadurch andere Menschen zu einem Objekt machen, das nach unseren Vorstellungen agieren soll. Wir wollen so Macht über den anderen ausüben. Dies ist keine gute Grundlage für ein befriedigendes Miteinander.