Gewaltfreie Kommunikation: mit dem Herzen hören

Gewaltfreie Kommunikation: mit dem Herzen hören

Gewaltfreie Kommunikation

GEFÜHLE UND BEDÜRFNISSE

Im Gegensatz dazu steht die empathische Giraffensprache. Rosenberg hat dieses Symboltier gewählt, weil Giraffen ein besonders großes Herz und große Ohren haben.
Das Herz steht in vielen Kulturen für das Zentrum des Menschen oder der Seele. Sicher kennen Sie den Satz:

„Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Im alten Ägypten wurde beim Totengericht das Herz gegen eine Feder aufgewogen. Das Herz stand als Symbol für das gesamte Leben und musste so leicht sein wie eine Feder. Und die großen Ohren sind ein Symbol für die Fähigkeit zuzuhören.

Im Sinne der GFK könnte man es so deuten, dass Menschen aus der Kommunikation mit mir erleichtert hervorgehen sollten. So wie es mir in dem anfangs geschilderten Gespräch mit Mirko ging.

Das zentrale Element der GFK besteht im Umgang mit Gefühlen und Bedürfnissen. Dazu braucht man einen guten Zugang zu den eigenen Gefühlen. Eine kleine Übung dazu: Lehnen Sie sich zurück und überlegen Sie, welche Gefühle Sie jetzt gerade empfinden.

  • Oft sind es mehrere gleichzeitig und häufig auch widerstreitende Gefühle. Auch gibt es angenehme und unangenehme Gefühle. Sie können beispielsweise interessiert ein, wie der Artikel weitergeht und gleichzeitig unsicher, weil Sie das momentane Gefühl nicht benennen können.
  • Gefühle sind die Boten der Bedürfnisse. Wir haben angenehme Gefühle, wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind und unangenehme, wenn dies nicht der Fall ist.
  • Bedürfnisse sind Qualitäten, die jeder Mensch gerne in seinem Leben erfüllt hätte wie Sicherheit, Klarheit, Verständnis, Verbundenheit, Freiheit oder Sinn.
Gewaltfreie Kommunikation - mit dem Herzen hören

Die Gewaltfreie Kommunikation geht davon aus, dass jeder Mensch gerne die Bedürfnisse anderer erfüllt, solange keine Nachteile für ihn selbst entstehen.

Dazu ist es wichtig, sich auszutauschen. Also zuerst einmal die eigenen Bedürfnisse zu kennen und sie auch auszudrücken. Das fällt vielen schwer, weil sie nicht „bedürftig“ sein wollen.
Doch werden Bedürfnisse häufig nicht erfüllt, wird man frustriert und traurig, was sich nach einer gewissen Zeit auch somatisieren kann.
Es gibt mehrere Wege, ein Bedürfnis zu erfüllen und auch mehrere Personen, die es erfüllen können. Viele Konflikte in Partnerschaften entstehen dadurch, dass man vom Partner erwartet, dass er alle Bedürfnisse erfüllt. Das ist unrealistisch und überfordert die beste Beziehung.

Die Gewaltfreie Kommunikation führt dazu, dass wir die Verantwortung für eigene Gefühle und Bedürfnisse übernehmen und nicht in einer Opferhaltung verharren.

Wenn jemand sagt: „Ich bin traurig, wenn du zu spät kommst, weil mir Zuverlässigkeit wichtig ist“, löst das etwas ganz anderes aus als „Immer kommst du zu spät, ich bin dir egal.“
Wenn wir also unsere Gefühle und Bedürfnisse benennen, weiß der andere, was in uns vorgeht. Denn das Gegenüber selbst hat ja auch Gefühle und Bedürfnisse. So haben wir gute Voraussetzungen, den Konflikt aufzulösen und eine Einigung zu finden.


DIE VIER SCHRITTE DER GIRAFFENSPRACHE

Giraffensprache
  1. Sie beginnt mit einer Beobachtung. Man beschreibt eine konkrete Handlung (oder Unterlassung), ohne sie mit einer Bewertung oder Interpretation zu vermischen. Also nur die Wahrnehmung schildern wie in einem Polizeibericht:
    Beispielsweise zur pubertierenden Tochter: „Du hast drei Tage hintereinander deine Jacke nicht auf den Haken gehängt.“
  2. Danach beschreibt man das Gefühl, das durch die Handlung des anderen in einem selbst entsteht: Es ärgert mich, weil …
  3. Und jetzt folgt das Bedürfnis, das ja den Ärger ausgelöst hat: … mir Ordnung wichtig ist.
  4. Schließlich formuliert man eine Bitte um eine konkrete Handlung: Bitte hänge deine Jacke in Zukunft auf den Haken.
    Man kann um eine Handlung bitten oder – und das ist auch eine sehr gute Alternative – eine Frage stellen: Wie siehst du das? Kannst du mir sagen, warum du die Jacke nicht aufhängst?

Vielleicht denken Sie jetzt, dass diese Art der Kommunikation künstlich, ungewohnt und nicht leicht erlernbar ist.
Ja, das stimmt, die „Gewaltfreie Kommunikation“ wirkt anfangs wie eine Fremdsprache. Doch Übung macht den Meister. Sie werden bemerken, wie Sie eine ganz neue Form der Verbundenheit und Nähe erreichen, wenn Sie diese vier Schritte anwenden. Und dass sich Konflikte und Meinungsverschiedenheiten schnell lösen – wie im anfangs geschilderten Beispiel.

Als konkreten Tipp möchte ich Ihnen empfehlen, mit dem Ausdrücken Ihrer Gefühle und Bedürfnisse zu beginnen. Das ist der erste wichtige Schritt, der schon sehr viel verändert.

Viel Erfolg mit der Giraffensprache!

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 165 des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.