Aristoteles – Vater der modernen Wissenschaft

Aristoteles – Vater der modernen Wissenschaft

Aristoteles

Die deutsche Zeitung „Die Welt“ veröffentlichte eine Auswahl der größten Personen der Weltgeschichte. Der griechische Philosoph Aristoteles steht an der achten Stelle. Damit ist er nach 2400 Jahren der einflussreichste aller Philosophen und überflügelt seinen eigenen Lehrer Platon. Nicht schlecht, aber warum?

Inzwischen glaubt man auch, sein Grab in seiner Heimatstadt Stageira auf der Halbinsel Chalkidiki gefunden zu haben, wie der Archäologe Kostas Sismanidis im Mai 2016 mitteilte. Er starb nämlich nicht in Athen, wo er lange lebte. In fortgeschrittenem Alter übersiedelte er fluchtartig auf die Insel Lesbos, um den Athenern nicht die Gelegenheit zu geben, sich ein zweites Mal an der Philosophie zu versündigen, wie er selbst gesagt haben soll. Sie ahnen, wovon die Rede ist? Doch davon später.

Nun habe ich eine Frage an Sie:

Was weiß ein philosophisch interessierter Mensch des 21.Jahrhunderts, zum Beispiel Sie als Leser dieses Artikels, über Aristoteles und sein Werk? Welche Assoziationen löst sein Name bei Ihnen aus? Herzlichen Glückwunsch, wenn Sie überhaupt eine starke und eindeutige Assoziation haben.Denn er ist etwas aus der Mode gekommen, sodass heute eher seine biografischen Fakten allgemein bekannt sind:

  • geboren 384 v. Chr. in Stageira in Makedonien – genau vor 2.400 Jahren
  • lebte in Athen,
  • war ein Schüler Platons,
  • wurde er zum Erzieher des makedonisehen Prinzen Alexander, dem späteren Alexander dem Großen.

Das Werk des Aristoteles

Aristoteles

ist extrem umfangreich, es umfasst unzählige Schriften, Notizen sowie Mitschriften aus Vorträgen und Vorlesungen. Aber durch welche bahnbrechenden Ideen wurde Aristoteles so einflussreich? Wer griff seine Ideen auf und machte ihn zu einem so bedeutenden Weltveränderer? Eine erste Vermutung liegt nahe: Wahrscheinlich war das sein mächtiger Schüler Alexander, der einen großen Teil der damals bekannten Welt eroberte.

Aber nein, falsch geraten, es war nicht Alexander der Große, der seinen Lehrer berühmt machte. Denn machtpolitische Ambitionen waren Aristoteles fremd. Er und Alexander waren charakterlich sehr verschieden, und Aristoteles begleitete Alexander nicht auf seinen Feldzügen.

Aber wer war es dann? Lassen wir die wichtigsten Spuren von Aristoteles im Fluss der Geschichte Revue passieren:

Aristoteles auf arabisch

Aristoteles

Die ersten großen Anhänger des Aristoteles waren einerseits die Neuplatoniker des Weströmischen Reiches im zweiten bis vierten Jahrhundert n. Chr. Aber wahrscheinlich noch prominenteren Status hatte Aristoteles bei den arabischen Gelehrten des 9. bis 13. Jahrhunderts, in der Zeit der Hochblüte der arabischen und maurischen Kultur. Während es im Jahr 1210 noch zu einem kirchlichen Aristoteles-Verbot kam, lehrte der arabische Gelehrte Averroes (Ibn Rusd) fast zeitgleich seine Ideen im spanischen Cordoba mit Begeisterung. Alle wichtigen Werke waren ins Arabische übertragen worden. Viele davon wären aufgrund der Ablehnung durch die Kirche verloren gegangen, wenn sie nicht als arabische Übersetzungen weiter existiert hätten, und später ins Lateinische rückübersetzt worden wären.

Aristoteles, Pflichtlektüre an den ersten Universitäten Europas

Die große Zeit des Aristoteles kam, als in Europa die ersten Universitäten gegründet wurden. Die Einteilung der modernen wissenschaftlichen Disziplinen geht auf Aristoteles zurück. Damit stieg er zum Vater der Naturwissenschaft, aber auch der Logik, Rhetorik und Ethik auf. Seine Werke gehörten bereits im Jahr 1255 zum Pflichtstoff der ehrwürdigen Universität in Paris und später auch der ältesten englischen Universität in Oxford.

Das verlorene Erbe des Aristoteles

Ein vollständiges, gesichertes Verzeichnis der Schriften des Aristoteles gibt es nicht. Die erste Bestandsaufnahme die heute bekannt ist, stammt aus dem Jahr 200 n. Chr. von Diogenes Laertius. Darin werden neben einer Biografie des Aristoteles auch 146 Schriften erwähnt, aber diese Liste ist nachgewiesenermaßen unvollständig. Wie viele Schriften es tatsächlich waren, ist bis heute unbekannt. Wir wissen aber, dass zentrale Werke (z. B. seine Dialoge) verloren gegangen sind. Es gibt wenig Hoffnung, sie nach so langer Zeit noch irgendwo zu entdecken.

Die Fülle der Themen, die Aristoteles behandelte, macht es nicht leicht, ein einfaches Bild von diesem großen Denker zu zeichnen. Ich möchte dennoch den Versuch machen, Ihnen näher zu bringen, worin seine Bedeutung liegt. Wenn man die wichtigste, bis heute gültige Leistung oder Idee des Aristoteles benennen sollte, könnte es die folgende sein:

Das Ende der Mysterien

Aristoteles

Aristoteles besitzt keinen „Daimon“ als spirituellen inneren Führer wie Sokrates. Er benutzt auch keine mythischen Erzählungen und dialektischen Dialoge, um dunkle, für den Verstand nicht greifbare Themen zu vermitteln. Dadurch unterscheidet er sich radikal von der bisherigen Tradition der Philosophie. Man könnte sagen, dass mit Aristoteles der Bruch zwischen der alten Art der Philosophie überwiegend als Teil initiatischer, vielschichtiger und spirituell orientierter Mysterientraditionen und seiner neuen Art der rational-wissenschaftlichen Philosophie erfolgte. Damit stand er auch im Konflikt mit Sokrates und Platon, die er aber als Personen weiterhin in höchstem Maße respektierte. Es ist der Ausspruch überliefert, dass Platon für Aristoteles eine so herausragende Stellung einnahm, dass „die schlechten Menschen ihn nicht einmal loben dürfen“.

Begründer der empirisch arbeitenden Naturwissenschaften

In seinen Schriften schlug er aber andere und neue Wege des Denkens als seine Lehrer vor, die von seiner äußerst präzisen und detailreichen Beobachtung der Natur geprägt waren. Dadurch wurde er zum Begründer der empirisch arbeitenden Naturwissenschaften:

  • die unabhängig von Theologie und Religion sind und
  • die Welt des Physischen (und bei Aristoteles auch noch des Metaphysischen) mithilfe des Verstandes erforschen.

Die Übersetzungen und Verbreitung seiner Schriften im Mittelalter waren daher der Nährboden auf dem die ersten Universitäten begründet wurden und die Philosophie und Naturwissenschaft sich zu von der Theologie unabhängigen Disziplinen emanzipierten.

Aristoteles

  • Forschung als genaues Beobachten der Natur,
  • selbstständiges Nachdenken,
  • das Ziehen eigener Schlüsse und
  • die Welt zu verstehen als ein logisches Gefüge,

das ist das Erbe des Aristoteles.

Er war deswegen aber kein reiner Materialist, eine Haltung die heute in den Naturwissenschaften weit verbreitet ist. Davon zeugen seine Schriften über die Metaphysik. Aber die ersten und grundlegenden Erkenntnisstufen des Menschen (Sinneswahrnehmung, Erfahrung und Technik) waren für ihn logisch nachvollziehbar und rational.

  • Der Verstand erklärt für Aristoteles das ,,Was“ und das „Wie“.
  • Aber das „Warum“ als jene Frage, die nur die Weisen beantworten können, entzieht sich auch bei Aristoteles dem Verstand. Es zählt zum „Ersten Wissen“, das man nur durch Eingebung und eine innere Intuition erwerben kann.

Wie die Athener sich fast zum zweiten Mal an der Philosophie versündigten

Aristoteles

Da Aristoteles kein Bürger Athens war, sondern ein Metöke, ein geduldeter, aber politisch rechtloser Fremder aus einer anderen Stadt, war er auf den Schutz seiner Freunde angewiesen. Seine Lage in Athen wurde 323 v. Chr. prekär, als sowohl Platon, sein renommierter Mentor, als auch Alexander der Große, sein ehemaliger Schüler, gestorben waren. Die Stimmung in Athen wandte sich immer mehr gegen ihn, und so verließ er die Stadt bevor Anklage gegen ihn erhoben werden konnte. In Anspielung auf den Scheinprozess und das Fehlurteil, durch das Sokrates zum Tod durch den Schierlingsbecher verurteilt worden war, soll er gesagt haben, dass er „die Stadt verlasse, um den Athenern nicht die Gelegenheit zu geben, sich ein zweites Mal an der Philosophie zu versündigen.“

 

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