Der Frieden beginnt in uns!

Der Frieden beginnt in uns!

Frieden

Als erste Kinderbuchautorin erhielt Astrid Lindgren 1978 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In ihrer Dankesrede sprach sie über Krieg und Frieden, über ihre Hoffnungen und Ängste. Und natürlich über Kinder.

Liebe Freunde!

Über den Frieden zu sprechen, heißt ja, über etwas zu sprechen, das es nicht gibt. Wahren Frieden gibt es nicht auf unserer Erde und hat es auch nie gegeben, es sei denn als Ziel, das wir offenbar nicht zu erreichen vermögen. Solange der Mensch auf dieser Erde lebt, hat er sich der Gewalt und dem Krieg verschrieben, und der uns vergönnte zerbrechliche Friede ist ständig bedroht. Gerade heute lebt die ganze Welt in der Furcht vor einem neuen Krieg, der uns alle vernichten wird. Angesichts dieser Bedrohung setzen sich mehr Menschen denn je zuvor für Frieden und Abrüstung ein – das ist wahr, das könnte eine Hoffnung sein.

Doch Hoffnung hegen fällt so schwer. Die Politiker versammeln sich in großer Zahl zu immer neuen Gipfelgesprächen, und sie alle sprechen so eindringlich für Abrüstung, aber nur für die Abrüstung, die die anderen vornehmen sollen. Dein Land soll abrüsten, nicht meines! Keiner will den Anfang machen. Keiner wagt es anzufangen, weil jeder sich fürchtet und so geringes Vertrauen in den Friedenswillen des anderen setzt. Und während eine Abrüstungskonferenz die andere ablöst, findet die irrsinnigste Aufrüstung in der Geschichte der Menschheit statt. Kein Wunder, dass alle Angst haben, gleichgültig, ob wir einer Großmacht angehören oder in einem kleinen neutralen Land leben. Wir alle wissen, dass ein neuer Weltkrieg keinen von uns verschonen wird, und ob ich unter einem neutralen oder nicht-neutralen Trümmerhaufen begraben liege, das dürfte kaum einen Unterschied machen.

Müssen wir uns nach diesen Jahrtausenden ständiger Kriege nicht fragen, ob der Mensch nicht vielleicht schon in seiner Anlage fehlerhaft ist? Und sind wir unserer Aggressionen wegen zum Untergang verurteilt? Wir alle wollen ja den Frieden. Gibt es denn da keine Möglichkeit, uns zu ändern, ehe es zu spät ist? Könnten wir es nicht vielleicht lernen, auf Gewalt zu verzichten? Könnten wir nicht versuche, eine ganz neue Art Mensch zu werden? Wie aber sollte das geschehen, und wo sollte man anfangen?

Ich glaube, wir müssen von Grund auf beginnen. Bei den Kindern.

Auszug aus der Festrede von Astrid Lindgren

Sowohl in der äußeren Welt als auch im Inneren eines jeden Lebewesens gibt es die Pole Krieg und Frieden. Der Hirnforscher Gerald Hüther hat herausgefunden, dass das menschliche Gehirn nach einem Zustand von Kohärenz strebt. Kohärenz bedeutet in diesem Zusammenhang ein harmonisches Miteinander-Schwingen aller Anteile des Gehirns. Wenn das geschieht, dann passt alles und ist miteinander in Einklang. Doch diese innere Harmonie ist störanfällig. Sie kann durch die eigenen Gedanken und die damit einhergehenden Wünsche zunichte gemacht und genauso durch äußere Bedingungen gehemmt werden. Einer Störung des Einklangs folgen letztendlich immer wieder Lern- und Wachstumsprozesse, denn um den inneren Frieden, den Einklang und das Gleichgewicht wiederherzustellen, benötigt der Mensch neue Strategien.

Frieden

Indem jeder Einzelne einen inneren Kampf mit sich austrägt – einen Kampf gegen seine Instinkte, Leidenschaften und Gefühle wie Angst, Wut, Zorn etc., kurzum eine Transformation der eigenen Schwächen und Tugenden – und diesen Kampf gewinnt erreicht er seinen inneren Frieden. Dieser Sieg über sich selbst ist wiederum die Basis für den äußeren Frieden. Der Friede ist somit das Ergebnis von Kampf und weniger ein harmonischer Urzustand.

Einen beständigen inneren Frieden jedoch aufrechterhalten zu können, ist illusorisch. Der dem Frieden entgegengesetzte Pol, der Konflikt beziehungsweise die Auseinandersetzung mit dem Selbst, mit den Mitmenschen und der Umwelt, wird immer wieder für inneren Aufruhr und die damit verbundenen Lernprozesse sorgen.

Glückliche Menschen tragen Zuversicht in sich, den Zustand des inneren Friedens immer wieder erreichen zu können.

Denn der Frieden beginnt in uns.

Dalai Lama

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 171 des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert