Der Zeit ein Schnippchen schlagen
ÄGYPTEN: WIEGE DER ASTROLOGIE
Das abendländische Wissen über Astrologie und Astronomie, den zwei untrennbaren Elementen eines einheitlichen Weltverständnisses, geht auf Claudius Ptolemäus aus dem 2. Jahrhundert in Alexandrien zurück. Mit seinen beiden Werken „Almagest“ und „Tetrabiblos“ fasste der alexandrinische Astronom-Astrologe das antike Wissen seiner Vorgänger und eigene Erkenntnisse zusammen. Diese Standardwerke blieben Referenzpunkt bis in die Neuzeit. Erst die „Kopernikanische Wende“ des 16. Jahrhunderts löste sein geozentrisches Weltbild ab, an dem bis zuletzt noch die Vertreter der Kirche hingen und andere Sichtweisen mit Gewalt als ketzerisch verfolgten.
Mit der Aufklärung wurde ab dem 17. Jahrhundert das Wissen um die Deutung der kosmischen Vorgänge verdrängt. Übrig blieben (be-)deutungslose Kenntnisse über die himmlischen Körper und ihre
Bewegungen, ein wunderbares Uhrwerk, nun aber ohne Sinn und Zweck.
Der Alexandriner Ptolemäus ist nur ein sehr bekannter von vielen gelehrten Astrologen der Antike. Zuvor wurde astrologisches Wissen im klassischen Griechenland gepflegt, wo sich wiederum Quellen aus Ägypten und Mesopotamien mischten. Auch außerhalb des mediterranen Kulturraumes gab es umfassende Betrachtungen des Himmels und seiner Vorgänge, wie zum Beispiel die englischen Steinkreise (Stonehenge, Avebury) oder die deutsche Himmelsscheibe von Nebra belegen.
Ägyptische Dekane
Aus Ägypten speziell nun stammt das Wissen über die Einteilung der 30 Tage eines Monats in drei Abschnitte von je zehn Tagen, die durch eine eigene Qualität, einen „Dekan“, gekennzeichnet sind.
Unter ihnen befanden sich beispielsweise bekannte Gottheiten wie Isis, Nephtys, Osiris, Seth, Horus, Hathor, der Nilgott Hapi und der Erdgott Geb. Eine schöne Darstellung bietet der altägyptische Zodiak aus dem Tempel von Dendera.
Aby Warburgs Verdienst liegt darin, den Ursprung der Figuren von Schifanoia sowie die erheblichen Veränderungen der einzelnen Figuren im Zeitablauf erforscht zu haben.
Aus dem langen Weg des Wissenstransfers sollte noch der hellenistische Astrologe Teukros (vermutlich 1. Jahrhundert) erwähnt werden. In seiner „Sphaera barbarica“ tauchen die Dekane ebenso auf wie später bei dem Arzt, Philosophen und Magier-Astrologen Pietro d ́Abano (1250 – 1316). Der Neuplatoniker d ́Abano hatte die Kenntnis von den Dekanen aus arabischen Quellen für die westliche Welt gerettet.
Die islamischen Gelehrten hatten generell eine zentrale Funktion als Bewahrer und Übermittler fast verloren gegangenen antiken Wissens und Weisheit an das mittelalterliche Europa, ganz speziell in Spanien und seiner damaligen Hauptstadt Toledo, wo das gedeihliche Zusammenwirken von Juden, Christen und Moslems schon im 13. Jahrhundert ebenfalls eine bemerkenswerte geistige Renaissance ermöglichte.
DIE PHILOSOPHIE DER ASTROLOGIE
Der Palazzo „Schifanoia“ sollte, so sein ursprünglicher Name, vor Langeweile schützen. Dies gelang gut bis ins nüchterne Zeitalter der Aufklärung. Unfassbar, aber wahr, entschied ein späterer Eigentümer, die Fresken einfach zu übermalen und das Gebäude als Tabakfabrik und sogar als Kaserne zu nutzen. Erst 1821 wurden sie wiederentdeckt, wodurch wenigstens noch sieben von zwölf Abschnitten erhalten geblieben sind.
Die Fresken von Schifanoia und ihre Vor- und Nachgeschichte lassen folgende philosophische Erkenntnisse reifen:
- Astrologisches Wissen ist ein interkulturelles Menschheitserbe, das trotz Veränderung einzelner Formen die Jahrtausende überdauert hat. In ihren Grundaussagen waren sich die Völker und ihre gelehrten Vertreter stets einig.
- Nichts ist so wichtig, wie ein Bild zu haben, speziell wenn es um einen geistigen Inhalt geht. Die Fresken von Schifanoia sind ein leuchtend-lebendiges Beispiel dafür.
- Wir Menschen sind eingebettet in ein umfassendes und wunderbares, gar rätselhaftes Geschehen kosmischen Ausmaßes. Dieses Verständnis kann uns helfen, unsere selbst gemachten Krisen zu überwinden.
Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 172 (2024) des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.