Die Reue des Prometheus
Klimakrise mythologisch befeuert
Peter Sloterdijk plädiert in seinem neuen Buch für eine radikale Abkehr von den Giga-Akteuren der modernen Welt, für mikroenergetische Lokallösungen und für eine reale Demokratisierung, die dem Verfall der Welt die Stirn bietet.
Nein, ein Revoluzzer ist Peter Sloterdijk nicht. Auch wenn er als pointierten Schlachtruf und Schlusspunkt seines neuen Buches schreibt: „Fire-Fighters aller Länder, dämmt die Feuer ein!“ Vor der nicht zufällig an Karl Marx erinnernden Losung hatte der 75-jährige Philosoph zuvor auf 80 Seiten die Frage erörtert: Sollte der mythische Prometheus bereuen, dass er den Menschen, gegen den Willen von Göttervater Zeus, heimlich das Feuer geschenkt hatte?
„Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers zur globalen Brandstiftung”
heißt das Werk. Es geht darin um die Fundamente fossiler Zivilisationen, den drohenden Kollaps – und um (Lösch) Alternativen. Keine Frage: Prometheus meinte es gut. Und man mag sich kaum vorstellen, welche Dankesopfer die ersten menschlichen Wesen dargebracht haben dürften, denen bewusst wurde, dass Feuer machbar und wie es nutzbar war.
Feuer sei „eine der frühesten Größen, die von Menschen als Manifestationen des transzendenten Prinzips ,Kraft‘ und ,Macht‘ aufgefasst werden konnten. Eine anfängliche Gottesmetapher neben Wind, Blitz und Sonne“, schreibt Sloterdijk. Doch aus der Perspektive der Moderne, spätestens seit Erfindung der Dampfmaschine, sieht die Sache mit dem Feuer ganz anders aus.
Die Menschen hätten ihre ehrfürchtige Dankbarkeit vergessen, seien zu einem „Kollektiv von Brandstiftern“ mutiert, daher dürfte auch Prometheus womöglich ins Grübeln kommen. Dieser alte Feuer-Mythos bildet für den nicht unumstrittenen Philosophen den archimedischen Punkt, um von ihm aus das Feuer-Phänomen und die Verbrennung von Rohstoffen zu betrachten. Und die Klima- und Erdkatastrophe, die heute mehr als je zuvor virulent ist.
Sloterdijk geht zunächst auf die Verbindung von Sklavenarbeit und der frühen Nutzung des Feuers ein. Letztere habe stets die menschliche Arbeitskraft verstärkt, ein „mindestens gleichwertiges Plus in die metabolischen Regime reifender Hochkulturen eingebracht“, in Form von Küchenherden, Backstuben, Schmieden, metallurgischen Manufakturen oder keramischen Brennöfen. Doch mit der Erfindung der Dampfmaschine vor rund 300 Jahren, von Zeitgenossen als „Feuermaschine“ bezeichnet, „trat eine neue Formel für den gesamten Stoffwechsel des Menschen mit der Natur in Kraft: Befehlsgewalt plus Arbeitskraft plus Kraftmaschinensystem plus fossile Energieträger plus Abfälle bzw. Emissionen“.