Die Renaissance begann in Köln

Die Renaissance begann in Köln

Renaissance Köln

Wie die Deutsche Mystik ein neues Verständnis des Menschen und eine neue Welt hervorbrachte.

Die Renaissance begann 1248 in Köln. Im selben Jahr, in dem der Grundstein für den Kölner Dom gelegt wurde, begründete Albertus Magnus das Studium Generale seines Ordens in Köln, aus dem später die Universität von Köln hervorging. Die dort ausgebildeten Dominikaner betrieben 100 Jahre alle Bildungsstätten von Bedeutung und dominierten damit das geistige und philosophische Leben im Reich. Mit seiner Philosophie knüpfte Albert, der als einziger Philosoph den Beinamen „der Große“ bekommen sollte, an die Antike an und begründete erneut die Würde des Menschen.

„Unsere Vernunft betrachtet die Metaphysik nicht, insoweit sie menschlich ist, sondern insofern sie etwas Göttliches in uns ist. Wie Hermes Trismegistos treffend in dem Buch sagt, das er über den Gott der Götter für seinen Freund Asclepius schrieb, ist der Mensch das Bindeglied zwischen Gott und der Welt.“[1]

Die menschliche Vernunft ist also göttliche Vernunft. Der Mensch kann damit das Beste in sich zur Geburt bringen und auch eine bessere Welt gestalten.

Was für ein Kontrast zum bis dahin herrschenden christlich-mittelalterlichen Menschenbild, das Papst Innozenz im 12. Jahrhundert so auf den Punkt bringt: „Aus Erde geformt ist der Mensch, empfangen in Schuld und geboren zur Pein. Er handelt schlecht, gleichwohl es ihm verboten ist, er verübt Schändliches, das sich nicht geziemt und setzt seine Hoffnung auf eitle Dinge, deren Ende zudem noch ungewiss ist. Er endet als Raub der Flammen, als Speise der Würmer, oder er vermodert …“[2].

Die Renaissance des Hochmittelalters

Es war eine faszinierende Aufbruchsstimmung, die zu Alberts Zeit in Europa herrschte – ein Aufbruch aus dem dunklen Mittelalter, in dem sämtliche Errungenschaften des untergegangen Römischen Reichs verloren gingen. Mit Karl dem Großen war das Reich erneuert worden und mit den Ottonen und Stauffern als Heiliges Römisches Reich deutscher Nation etabliert.
Es war die Zeit der gotischen Kathedralen, die mit ihrer Architektur des Lichts auch ein lichtvolles Gottesbild zurückbrachten. Das philosophische Wissen der Antike kehrte über die Mauren und über die Kreuzzüge zurück und erleuchtete das Denken der fortschrittlichsten Geister in Europa. Die Templer sicherten die Straßen und so war es möglich, wieder zu reisen und Handel zu treiben. Und gemeinsam mit den Zisterziensern verbreiteten sie eine erneuerte Spiritualität und Kulturwissen über Heilpflanzen, Landwirtschaft, Bautechnologie und vieles mehr über Europa.
Die Dynamik dieser Epoche zeigte sich auch darin, dass zwischen 1000 und 1350 etwa 3000 neue Städte im Deutschen Reich gegründet wurden. Und „Stadtluft macht frei“, denn das bedeutete auch Mitsprache in Bürgerräten und war ein wesentlicher Wegbereiter der Neugestaltung der politischen Systeme.

Albert als Mirakel seiner Zeit

Albert der Große

Albertus Magnus war einer der ersten Huomo Universale dieser Zeit. Er erschuf eine Synthese der christlichen Lehre, der antiken Philosophie von Platon und Aristoteles sowie der hermetischen Philosophie. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit der Erforschung der Natur und gilt heute vielen als Begründer der modernen Naturwissenschaft. Dabei durchbrach er das enge mittelalterliche Kirchendogma, das als Autorität einzig und allein die Bibel gelten ließ. Albert schrieb hingegen:

„In Angelegenheiten des Glaubens und der Moral ist dem Augustinus mehr als dem Aristoteles zu vertrauen. Wenn es sich um Medizin handelt, setze ich mehr auf Galen und Hippokrates als auf Augustinus, und in naturphilosophischen Fragen traue ich eher dem Aristoteles oder einem anderen Fachmann auf diesem Gebiet“.

Als Naturforscher arbeitete Albert das damals vorhandene Gesamtwerk von Aristoteles auf und interpretierte es für seine Zeit. Vor allem gelang es ihm dadurch, die Widersprüche zwischen dem christlich-mittelalterlichen Weltbild und dem Weltbild von Aristoteles aufzuheben. Dem nicht genug, Albert integrierte in sein Lehrsystem auch die Lehren Platons und der Neuplatoniker sowie das naturphilosophisch-magische Weltbild, welches durch die Werke des Hermes Trismegistos tradiert wurde. Aus diesem Grund bezeichnete Ulrich von Straßburg, ein direkter Schüler von Albert diesen als göttliches Wesen, als Mirakel seiner Zeit und als Experten der Magie.

Der Mensch – ein Homo Divinus

Renaissance Kunst

Die hermetische Philosophie und mit ihr Albertus Magnus attestiert dem Menschen eine göttliche Natur, die den meisten jedoch nicht bewusst ist. Er kann durch die Entwicklung seines Intellekts, der ein Abbild des göttlichen Geistes darstellt, seine göttliche Natur wieder erobern. War in der Auffassung des christlichen Frühmittelalters nur Gott mächtig und der Mensch ihm und der Natur ausgeliefert und von der Erlösung durch Jesus abhängig, so begann man nun auch den Menschen als mächtig zu betrachten. Er trägt in sich ein „göttliches Fünklein“, wie es Alberts wichtigster Nachfolger Meister Eckhart formulieren sollte.
Dieses Fünklein ist der menschliche Intellekt, also die menschliche Vernunft oder der höhere Teil des Verstandes. Unser synthetisches, imaginatives oder intuitives Denken, in dem unsere Werte und Ideale beheimatet sind. Und dieser Intellekt ist das Bindeglied zwischen Gott und der Welt.

Mithilfe dieser forschenden Vernunft kann und soll der Mensch sich selbst und die Natur erforschen. Durch die Ausübung der Vernunft in einem tugendhaften Leben ist es allen Menschen möglich, sich der eigenen wahren Würde bewusst zu werden und die Natur veredeln. Der Mensch wird von einem Objekt, das der Natur und Gott ausgeliefert ist zu einem zweiten Schöpfer, der sich selbst, die Gesellschaft und die Natur verantwortungsvoll mitgestalten kann und damit die Schöpfung bzw. den Evolutionsprozess vorantreibt.

Derjenige, der über sich reflektiert und sich seines göttlichen Wesenskerns bewusst wird, hört die Stimme Gottes, meint Meister Eckhart und formuliert damit ein esoterisch-philosophisches Verständnis. Nicht nur Jesus ist ein Sohn Gottes und damit ein Erlöser der Menschen, sondern alle Menschen sind Kinder Gottes, können durch eine Innenschau mit diesem inneren Gott Kontakt aufnehmen und sich selbst erlösen:

„Der Vater [Gott] gebiert seinen Sohn ohne Unterlass, und ich sage mehr noch: Er gebiert mich als seinen Sohn und als denselben Sohn. Und ich sage noch mehr: Er gebiert mich nicht als seinen Sohn; er gebiert mich als sich und sich als mich und mich als sein Sein und als seine Natur.“ Der Mensch erobert sein wahres Ich durch die Ausübung der Vernunft, „in dem natürlichen Lichte der vernünftigen Seele“[1].

Der zu sich selbst gekommene Mensch ist nach Heinrich Seuse ein vollkommener Mensch, ein Homo Divinus, wie ihn Albert, Eckhart und Berthold von Moosburg nennen. Die Charakteristika der Deutschen Mystik kann man so zusammenfassen:

  • Essentielle Einheit von Mensch und Gott
  • Betonung der persönlichen Erfahrung: Priester (Kirche) wird nicht gebraucht als Vermittler zu Gott
  • Betonung der praktischen Ethik
  • Verwendung der deutschen Sprache
  • Große Beteiligung der Frauen: als Philosophinnen und Laien
  • Der Laie und der Hausverstand wird gegenüber den Gelehrten aufgewertet
  • Eine Anstrengung in der Lehre und Predigt

 

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