Die Einheit in der Vielfalt
Der Begriff der Monade bei G. Bruno, G. W. Leibniz und J. W. von Goethe
Unser Planet wurde in eine Sackgasse gesteuert. Verantwortlich dafür ist das mechanistische Weltbild. Wir lobpreisen unser lineares Fortschrittsdenken und opfern Qualität zugunsten der Quantität. Versetzen wir uns in die Köpfe früherer „geistiger Riesen“ und entdecken wir wieder die Einheit in der Vielfalt.
In der Naturphilosophie ist der Begriff der Einheit von zentraler Bedeutung, da der angestrebten Erkenntnis ein holistisches Weltbild zugrunde liegt. Die Lehre von der Ganzheit der Welt vertraten „westliche“ Philosophen wie die Pythagoreer, Platoniker, Stoiker und die meisten Renaissance-Vordenker. Einer der einflussreichsten unter ihnen war Giordano Bruno. Der kämpferische Philosoph versetzte auf seinen Reisen die akademische Welt Mitteleuropas im 16. Jahrhundert in Aufruhr. Seine „ketzerischen“ Ideen wie
- die Lebendigkeit und Unendlichkeit des Universums,
- die Existenz einer allumfassenden Weltenseele, mit der jeder Mensch verbunden sei und
- dass durch eigene Anstrengung jeder Mensch Zugang zum Absoluten, dem Göttlichen habe,
brachten ihm sieben schwere Jahre im Kerker der katholischen Inquisition ein und um 1600 in Rom den Tod auf dem Scheiterhaufen.
Die Einheit verursacht die Vielfalt, über die Vielfalt erkennt man die Einheit
Bruno verknüpfte die scheinbaren Gegensätze Einheit und Vielfalt. Er sprach von lebendigen Ur-Einheiten, welche die Ordnung der Natur bestimmen, und die, im Gegensatz zu den materiellen Atomen, unteilbar sind. „Dieses Beste, Größte, die Substanz der Substanzen … wird unter der Bezeichnung Monade gepriesen.“ Er führte den Begriff der Monade (monas, griech. = Einheit) in die Philosophie ein und erklärte die Wesenseinheit der menschlichen Seele (Mikrokosmos) mit dem Universum (Makrokosmos). So ist der Weg nach innen zur Einheit der Seelenmonade der einzig mögliche Weg zur Erkenntnis der Welt.
Etliche Renaissance-Philosophen wie Marsilio Ficino oder Paracelsus hätten ihm dafür auf die Schultern geklopft – die katholische Kirche hat ihn dafür ausgepeitscht und wir zucken vielleicht mit den Schultern, denn seine Thesen basierten nicht auf damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Möchte ich hingegen die Vielfalt der Welt erkennen, – man muss das ja nicht wollen, aber wenn man es wirklich anstrebt – dann empfiehlt uns Bruno in unserem Inneren nach der Einheit zu suchen. Hier stoßen wir jedoch an die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit unserer Sinne und selbst unser Verstand wird diesen Zusammenhang schwer verstehen. Nur der Mensch, der das Werkzeug der Intuition benützen kann, vermag nach Bruno Erkenntnis gewinnen. Er beschreibt sich in dem Moment seiner Erkenntnis wie von einem blitzartig abgeschossenen Pfeil des Apollon getroffen, „erlegt“ vom gütigen Lichtstrahl der göttlichen Einheit. Er erklärt, dass es in unserer Welt eine permanente Schöpfung gebe, ein unablässiges Kreislaufgeschehen, ohne Anfang oder Ende. Unzählige Monaden gleichwie metaphysischen Grundeinheiten spiegeln die Einheit der Weltenseele wider.
Alles ist beseelt, alles ist belebt. Es gibt keinen toten Winkel.
In der Theorie hört es sich gut an, praktisch könnte man fürs erste Mal in einen Garten oder Park gehen und aufmerksam in die Ecken, unter die Büsche schauen oder ein Loch in die Erde buddeln und die Lebendigkeit betrachten.
Mit Giordano Bruno stirbt nicht nur ein Idealist des Geistes und der letzte große Philosoph der Renaissance, sondern auch das Ideal der universalen Lebendigkeit. Fortan fliegen die Gedanken der Philosophen in zumeist geringere spirituelle Höhen. Das mechanistisch geprägte Weltbild im Barock betritt die Bühne Europas. Nun wird der Grundstein gelegt für unsere heutige Wissenschaft
- das rein rationale Erfassen der Wirklichkeit wie beim Franzosen Descartes („Ich denke, also bin ich“) oder
- das determinierte pessimistische Menschenbild des englischen Empiristen Hobbes („Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“).
Der Mensch trennt sich von der Natur, sodass sie zur Um-welt wird; er trennt den Alltag vom Metaphysischen, sodass er zwar geschäftig arbeitet, aber ohne einen höheren Sinn.