Freiheit ist Freiheit des Denkens

Freiheit ist Freiheit des Denkens

Freiheit

Ein Essay zur Bedeutung der Eigenverantwortung in Krisenzeiten.

Die Freiheit des Denkens ist das universelle Grundrecht eines jeden Menschen. Sie ist der Pfeiler, auf dem die Würde des Menschen ruht – und damit Basis eines Lebens in Frieden und Freiheit. Der einzige Haken: Sie will erkämpft sein.

Ludwig Wittgenstein

Als hätte der Globus nicht schon genug Kriegsnarben! Wer in Freiheit leben möchte, der strebt einen Ausnahmezustand an. Denn die Voraussetzung für sie ist die Freiheit des Denkens! Es war der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein, der in einem Tagebucheintrag vom 11. Juni 1916 unter dem Titel „Gott und den Zweck des Lebens?“ notierte, „Ich weiß, daß diese Welt ist. […] Daß etwas an ihr problematisch ist, was wir ihren Sinn nennen. […] Daß mein Wille die Welt durchdringt und daß mein Wille gut oder böse ist, daß also Gut und Böse mit dem Sinn der Welt irgendwie zusammenhängt. […]“. Wittgenstein zeigt damit auf, dass ein jeder der alleinige Regisseur seines Lebens ist – und dass das „MAN“ der anonymen Massengesellschaft als Schutzwall nicht mehr existiert.

Niemand ist verantwortlich für misslungene Lebensentwürfe – außer man selbst. Ob der Vorsokratiker Heraklit oder die Denker der Aufklärung wie Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche oder Friedrich Hegel bis hin zu den zeitgenössischen Philosophen wie Martin Heidegger, Jean-Paul Sartre oder eben Ludwig Wittgenstein. Sie alle haben den Himmel auf die Erde geholt und die Menschen mit dem Prinzip einer Verantwortlichkeit ohne Gott konfrontiert.

Denken

Von dem kräftigen Flügelschlag freiheitlichen Denkens in all seinen Schattenwürfen bis hinein in die Gegenwart ist allerdings nicht viel geblieben – bricht man es auf heutiges Denken herunter.
Die normative Kraft ökonomischen Gewinndenkens hat sich an ihre Stelle geschoben. Fetischhafte Konsumhörigkeit hat die Gesellschaftssysteme durchdrungen. Der Mensch ist zur Kostenstelle degradiert, die sich durch marktkonformes Verhalten zu rechtfertigen hat. Für die Idee der Freiheit des Denkens bleibt da kein Platz. Im Gegenteil: Despoten und all jene, denen der Weltenlauf in all seinen farbigen Ausfransungen suspekt ist, durchblättern die Geschichtsbücher von hinten nach vorne auf der Suche nach den goldbestaubten Zeiten vergangenen Größenwahns. Der Blutzoll, den junge Generationen hierfür entrichten müssen, wird heroisiert und missbraucht, um diese zum Teil pathologisch bösartige Menschenverachtung vor der Geschichte zu rechtfertigen.

Erich Fromm

Der deutsch-US-amerikanische Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm hat in seinem Buch „Die Anatomie der menschlichen Destruktivität“ hierzu zahlreiche Persönlichkeitsstrukturen untersucht. Unter anderem die von Adolf Hitler, Heinrich Himmler und Joseph Stalin. Allesamt klinische Fälle – von der Nekrophilie (Hitler), dem anal-hortenden Sadismus (Himmler) bis hin zum nichtsexuellen Sadismus (Stalin). Jedes Leben ist die Summe aufeinanderprallender Kontingenzen. Um es mit Jean-Paul Sartre zu sagen, die Zufälligkeit ist die einzige Konstante auf dem Strahl der Lebenszeit. Und das Böse, wie immer man es deuten mag, ist ein fester Bestandteil.

Heraklit von Ephesos

Schon Heraklit von Ephesos hat vor mehr als 2000 Jahren die Prognose gewagt, dass der Kampf der Ursprung allen Seins sei. Er meinte damit nicht den rein kriegerischen Akt, sondern die Vermischung der Gegensätze, wie sie später in der hegelschen Philosophie in der Synthese der Gegensätze zum Ausdruck kam. Der Gedanke der Einmaligkeit des Daseins ist verwirrend und beängstigend zugleich, weil er die Grenze egozentrischer Sehnsüchte letztendlich aufhebt und der Bedeutungslosigkeit preisgibt. Egal, was einen jenseits irdischen Seins erwartet, es bleibt immer ein Sprung vom Wissen zum Glauben – also hinein in die Spekulation.