Freiheit ist Freiheit des Denkens

Immanuel Kant
Freiheit jedoch ist eine irdisch bezogene Idee, die nur dem Wissen verpflichtet sein kann und keiner Segnung metaphysischer Gespinste unterliegt. Freiheit ermöglicht den Pendelausschlag zu jeder Seite – zum Guten wie zum Bösen. Was also ist Freiheit? Im Sinne Immanuel Kants ist es die Möglichkeit des Menschen, sittlich handeln zu können. Also dem Ausbalancieren von Ethik, Moral im Abgleich mit dem Gewissen. Sittlich ist der Mensch nach Kant dann, wenn er sich als Naturwesen überschreitet. Freiheit und Sittlichkeit werden in ihrer gegenseitigen Ergänzung zur praktischen Vernunft – der Generalschlüssel für ein einvernehmliches Miteinander, wie es im kategorischen Imperativ skizziert wird.
Alexandre Kojève
Es sei in diesem Zusammenhang an den russisch-französischen Philosophen Alexandre Kojève und seine legendäre Hegel Interpretation erinnert, in der der Begriff der Anerkennung eine zentrale Rolle zukommt – der krasse Gegensatz zu Kant, da es sich um reines Machtstreben handelt.
Laut Kojèves sind Menschen bereit, für banalste Dinge oder schlicht um des Ruhmes willen ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Ein Akt der Ich-Überhöhung ohne Rücksicht auf Verluste. Die Geschichtsbücher sind voll von solchen Charakteren. Letztendlich verbirgt sich dahinter der niemals erloschene Konflikt zwischen ökonomischen Machtstreben und ideologisch betoniertem Kollektivismus.
Martin Heidegger

Der deutsche Philosoph Martin Heidegger hat die Idee der Freiheit an der Angst vor der Einmaligkeit des Daseins kontrastiert, indem er den Begriff der Langeweile dazwischengeschoben hat. Also einem Zustand, in dem Zeit subjektiv empfunden zum Erliegen kommen kann. Es gibt verschiedene Formen der Langeweile. So kann einen ein Buch langweilen, ein Zustand, der von außen einfließt. Doch es gibt noch eine andere Form der Langeweile, die innere Langeweile, die ohne erkennbaren Grund in einem aufsteigt – entzündet durch was auch immer. Sie führt in die absolute Leere! Das ist der Moment, in dem die Zeit nicht verstreichen will – quasi zum Erliegen kommt. Der Zustand, in den man hinabgleitet, ist der der Bezugslosigkeit zu Raum, Zeit und sich selbst. Man schwebt im Nichts, dem Nicht-Sein. Die einzige Möglichkeit, dieser Leere zu entkommen, besteht nach Heidegger im Akt des Handelns, im Entfliehen aus der Daseinsstarre. Das ist der Moment der freien Entscheidung, er liegt im Handeln, im Beginnen. Banal ausgedrückt: In diesem Zustand der Langeweile zeigt sich, dass es auf dieser Welt nichts von Belang gibt – außer man tut es. Das ist die Freiheit im Sinne Heideggers.
Stefan Zweig
Die Freiheit des Denkens ist die Basis für die Freiheit im Sein. Am eindrucksvollsten lässt sich das mit den Worten des österreichisch-britischen Schriftstellers Stefan Zweig illustrieren:
Der geistigen Menschen höchste Leistung ist immer Freiheit. Freiheit von den Menschen, Freiheit von den Meinungen, Freiheit von den Dingen, Freiheit nur zu sich selbst.
Stefan Zweig, der vor dem nationalsozialistischen Terror 1940 ins brasilianische Petrópolis geflohen war, wählte dort am 22. Februar 1942 zusammen mit seiner Ehefrau Lotte Zweig den Freitod.
1962, während der Kubakrise, stand die Welt schon einmal mit einem Bein am Abgrund einer nuklearen Katastrophe. Dank der Freiheit des Denkens, und zwar über die Blockgrenzen hinweg, wurde ein Weltenbrand vermieden.
Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 177 des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.