Ich verzeihe dir!

Ich verzeihe dir!

Ein Plädoyer für das Verzeihen, das besonders in unserer konfliktbeladenen Zeit ein wahres „Wundermittel“ sein kann auf dem Weg zu einem neuen Miteinander.

Jeder, der sich nach einer Kränkung schon einmal selbst überwunden hat, um seinem Gegenüber zu verzeihen, weiß um die heilsame Kraft dieser oft unscheinbaren Geste. Sie befreit uns von der Last des Grolls und damit von einem wichtigen Teil der negativen Folgen, die jede Verletzung mit sich bringt. Wenn es also nur darum ginge, uns selbst als Opfer einer kränkenden Handlung zu erleichtern, so wäre das Verzeihen schon wert, zu den unerlässlichen Grundfertigkeiten des Menschen gezählt zu werden. Bei näherer Betrachtung können wir jedoch feststellen, dass die Kraft des Verzeihens noch weiter reicht, als das – und damit zu einer der Grundbedingungen des menschlichen Miteinanders wird.

Zu Beginn lohnt sich meist ein Blick auf die Herkunft eines Begriffs, den wir in der Tiefe verstehen wollen. Das Wort „verzeihen“ ist engstens verwandt mit dem Wort „verzichten“. Doch worauf verzichten wir, wenn wir verzeihen?
Zuallererst einmal verzichten wir darauf, dem anderen Schuld anzulasten, ihm oder ihr gegenüber Groll zu hegen, böse oder beleidigt, verletzt oder gekränkt zu sein. Allein das wäre schon ein enormer Gewinn!

Im Verzeihen befreien wir uns auf diese Weise von einer enormen Last, die wir sonst mitunter ein Leben lang mit uns schleppen müssten.

Die Wirkung dieses Verzichts ist jedoch noch größer, hat zusätzlich eine Dimension, die weit über uns selbst hinausreicht. Im Verzeihen verzichten wir auch darauf, unser Gegenüber zu bestrafen (oder bestrafen zu lassen), was uns im „Normalfall“ als gerecht erscheinen würde, um das Vergehen zu sühnen. Genau hierin liegt jedoch der Grund dafür, warum nur der starke Mensch in der Lage ist, wirklich zu verzeihen. Man kann nämlich nur auf etwas verzichten, über das man grundsätzlich verfügt. Nur wer zu strafen in der Lage wäre, dessen Verzicht darauf trägt die wahre Größe des Verzeihens in sich.
Was freilich nicht bedeuten soll, dass Verzeihen nicht auch ohne diesen Aspekt des Strafverzichts schwierig genug und damit Anlass zur Bewunderung bei all denen wäre, die zu einem wirklichen Verzeihen in der Lage sind.

Ich verzeihe dir