Philosophisches Management mit Epikur

Philosophisches Management mit Epikur

Lust und innere Freiheit

Die schönste Frucht der Selbstgenügsamkeit ist die Freiheit.

Epikur erklärt, dass wir nicht jede Lust wählen, sondern gelegentlich viele Lüste übergehen, wenn sich aus ihnen Unangenehmes für uns ergibt. Da die Lust eine für uns verwandte Natur hat, ist also jede Lust gut, aber nicht jede ist zu wählen. Wie auch jeder Schmerz ein Übel ist, aber nicht jeder ist seiner Natur nach immer zu meiden. Auch die Selbstgenügsamkeit hält Epikur für ein großes Gut, nicht um uns immer mit wenigem zu begnügen, sondern damit wir uns dann mit wenigem begnügen können, wenn wir nicht das Viele haben. Die Gewöhnung in der einfachen und nicht aufwendigen Lebensweise mehrt also die Gesundheit, macht den Menschen im Hinblick auf die notwendigen Anforderungen des täglichen Lebens unverdrossen tatkräftig, stärkt unseren Charakter und macht uns furchtlos gegenüber den Wechselfällen des Zufalls.

Wenn Epikur von Lust spricht, meint er nicht die Lüste derer, die ausschweifend leben, auch nicht die Lüste, welche auf dem Genuss beruhen. Er bezieht sich darauf, körperlich keine Schmerzen zu haben und seelisch nicht in Unruhe zu sein.

Der epikureische Lustbegriff besitzt also einen klaren Zusammenhang mit der positiven, insbesondere mit der inneren Freiheit einer Führungskraft. Die positive Freiheit unterstellt die Willensfreiheit zur (Selbst-)Verwirklichung der wahren Interessen. Sie ist die Fähigkeit, psychologische Beschränkungen des eigenen Denkens und Willens zu überwinden, d.h. die Herrschaft der Vernunft im Selbst.

Der Anfang für all dies ist (Seelenruhe) bei Epikur die Tugend der Klugheit. Es gibt für ihn kein lustvolles Leben ohne klug, gut und gerecht zu leben und kein kluges, gutes und gerechtes Leben, ohne Lust.

Die Hauptaufgabe einer Führungskraft liegt darin, die Handlungsmöglichkeiten in sich und in seinen Mitarbeitern zu fördern. Somit kann gesagt werden, dass die Lust zu führen eine Vergrößerung der inneren Freiheit zur Folge hat.

Führungs-Lust und das Tetrapharmakon

Wer weder Schmerz noch Tod, noch unsichtbare Mächte fürchtet, wird auch in jeder Lebenslage eine unerschütterliche Ruhe bewahren können.

Das Tetrapharmakon ist ein Teil der epikureischen Hauptlehrsätze. In diesem werden vier Ratschläge angeführt, welche man nach Ansicht der epikureischen Lehre stets zur Hand haben sollte. Es handelt sich hierbei um Empfehlungen, wie man die Angst oder existenzielle Ängste vermeiden kann, um ein glückliches Leben zu führen.

1. Vor der Gottheit brauchen wir keine Angst zu haben

In der hellenistischen Religion wurden die Götter als Wesen in einem ständigen Zustand der Glückseligkeit, als unzerstörbare und unverwundbare Einheiten konzipiert. Als etwas, das über dem Menschen steht und dadurch auch Macht auf diese ausübt.

Übertragen auf das Management können wir nun die Rolle einer hohen Führungskraft (z.B. CEO) an diese Stelle setzten. Dieser Lehrsatz könnte somit auch als „fürchte dich nicht vor deinem CEO“ interpretiert werde. Es ist einfach zu sehen, dass Angst vor einer höheren Position verhindert, dass klare und vernünftige Entscheidungen getroffen werden können.

2. Kümmere dich nicht um den Tod

Sagt aber einer, er fürchte den Tod ja nicht deshalb, weil er Leid bringt, wenn er da ist, sondern weil sein Bevorstehen schon schmerzlich sei, der ist ein Tor; denn es ist doch Unsinn, dass etwas, dessen Vorhandensein uns nicht beunruhigen kann, uns dennoch Leid bereiten soll, weil und solange es nur erwartet wird! So ist also der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebenden noch die Gestorbenen, denn wo jene sind, ist er nicht, und diese sind ja überhaupt nicht mehr da.

Im Leben einer Führungskraft kann diese Idee des Todes auch auf ein Projekt, Mandat oder eine Anstellung übertragen werden. Solange ein solches Arbeitsverhältnis aufrecht ist, muss uns die Vorstellung der Auflösung dessen nicht behindern. Wird das Arbeitsverhältnis jedoch aufgelöst, gibt es keinen Grund mehr, uns über eine bevorstehende Auflösung Ängste bzw. Sorgen zu machen. Insofern ist nach Epikur jegliche Angst in Bezug auf den Tod (symbolisch hier in Form der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses) nicht zielführend und behindert die Qualität und das Glück des Lebens einer Führungskraft.

3. Das Gute ist leicht zu beschaffen

Laut Epikur können die Grundlebensmittel sowie Obdach von jedermann mit minimalem Aufwand und unabhängig von Reichtum erworben werden. Möchte man jedoch mehr als den nötigen Bedarf (z.B. Völlerei), begrenzt man damit seine Zufriedenheit und das Glück, was zu einer unnötigen Angst im Leben eines Menschen führt.

Auf unseren beruflichen Alltag übertragen kann dies folgendermaßen gedeutet werden: Jede Form der Maßlosigkeit (z.B. finanzielle Gier, Geiz in Bezug auf Informationen, Mangel an Ressourcenbewusstsein, etc.), welche über die tatsächliche Notwendigkeit hinausgeht, hat das Potenzial sich als eine unnötige Angst zu manifestieren.

4. Das Schlimme ist leicht zu ertragen

Die epikureische Philosophie vertritt die Idee, dass entweder der Schmerz klein oder die Zeit der Schmerzempfindung kurz ist. Das bedeutet, dass ein starker körperlicher Schmerz immer nur kurz dauert, um mit erneuter Lust oder aber mit dem Tod zu enden, und dass andererseits chronische Schmerzen stets erträglich sind. Es geht also darum, Vertrauen zu gewinnen, dass die Lust immer dem Schmerz folgt und das man in Bezug auf die Länge des Schmerzes jegliche Angst vermeiden soll. Dies stellt für Epikur auch das beste Mittel für ein langes Leben dar.

Keine Situationen, keine Umstände bzw. keine Projekte, welche auch noch so unerträglich sind, dauern ewig. In vielen Beispielen meines beruflichen Lebens, war ein kurzer jedoch starker Schmerz (z.B. Kritik, Feedback, Projektstopp) ein Heilmittel auf eingespielte routinemäßige Abläufe. Auch wenn wir uns gewöhnlich vor „den Schmerzen des Schlimmen“ fürchten, sollte eine Führungskraft im Bewusstsein haben, dass auf den Schmerz die Lust folgen wird und dadurch auch das Schlimme leicht zu ertragen ist.

Zusammenfassung

Der Weise ist ein Mensch welcher durch die Kunst, sich selbst zu führen, seine innere Freiheit erringt. Epikur suchte den Weg zur Weisheit über die Lust und hinterließ uns eine außergewöhnliche Haltung zum Leben: Die Herrschaft über das eigene Selbst als eine Chance in jeder Situation ein Leben zu führen, das nicht von Angst bestimmt, sondern von Freude und Freiheit erfüllt ist.

Literaturhinweis

  • Ritter, J. u.a. Historisches Wörterbuch der Philosophie (Bd. 1). Basel/Stuttgart (1971-2004).
  • Schmidt, H.: Philosophisches Wörterbuch (21. Aufl.). Stuttgart (2009).
  • Helferich, C. :Geschichte der Philosophie: Von den Anfängen bis zur Gegenwart und Östliches Denken (4. Aufl.). Stuttgart/Weimar (2012).
  • Terpitz, K.: Wenn Manager Angst haben. Düsseldorf (2006).
  • Riemann, F.: Grundformen der Angst: Eine tiefenpsychologische Studie (39. Aufl.). München/Basel (2009).
  • Harding, G.: Topmanagement und AngstFührungskräfte zwischen Copingstrategien, Versagensängsten und Identitätskonstruktion. Wiesbaden (2012)
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  • Smith, A.: Theorie der ethischen Gefühle. Hamburg (2004)
  • Gosepath, S. Freiheit. Luzern: UNILU Vorlesungsunterlagen MAS05 aus Philosophie und Management. (2015).
  • Epikur: Philosophie der Freude. Briefe. Hauptlehrsätze. Spruchsammlung. Fragmente. Berlin (2013).
  • Hutchinson, D.: The Epicurus Reader: Selected Writings and Testimonia. Cambridge (1994)
  • Mewaldt, J.: Epikur. Philosophie der Freude. Stuttgart (1973)

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 146 des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.