WAS UNS GESUND MACHT

WAS UNS GESUND MACHT

Gesundheit

Der Mensch ist ein Wunderwerk: Was bewirkt, dass ein gebrochener Knochen, eine schwere Entzündung oder Wunde heilt? Der Arzt oder die Arznei kann helfen, aber wer oder was heilt wirklich?

Wenn ich heilen will, kann ich nichts anderes tun, als Ihm, dem inneren Arzt und Heiler, zu Kräften zu verhelfen.

Paracelsus

Wer glaubt, das wäre ein rein alternativmedizinisches oder esoterisches Konzept, der irrt: Denn in welchem Bereich der Medizin heilt der Arzt allein? Der Chirurg schraubt mit all seiner Kunst zerbrochene Knochenteile zusammen oder entfernt krankhafte Areale, doch der Knochen muss selbst wieder zusammenwachsen, die Wunde muss der Körper selbst heilen.

Das Arzneimittel bekämpft Krankheitserreger, doch ist noch viel mehr an Regulations- und Heilungsprozessen im Körper notwendig, um wirklich gesund zu werden.

Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit.

Nicht immer stellt sich Heilung ein – trotz der bester Therapien. Und manchmal heilt sich der Körper trotz widrigster Umstände. Mit der Frage, welche inneren Faktoren für Heilung eine rolle spielen, setzt sich die Wissenschaft der Salutogenese auseinander.

Aaron Antonovsky, der Begründer dieser Disziplin, erforschte in den 1970-er Jahren neben den chemischen und biologischen Ursachen des krank- und des Gesundwerdens auch die psychosozialen Gründe. Insbesondere untersuchte er Frauen, die im Konzentrationslager widrigsten Umständen, sowohl körperlich als auch seelisch, ausgesetzt waren.

Dabei stellte sich heraus, dass ein Teil von ihnen trotz aller erlittenen Gräuel bis ins hohe Alter gesund blieb. Antonovsky beschäftigte sich mit der Frage, welche Ressourcen oder Eigenschaften den Menschen geholfen hatten, diese widrigen Umstände zu überwinden. Dabei kam er auf eine Einstellung, die er „Kohärenzgefühl“ nannte, welche die gesunde Gruppe in hohem Maße kennzeichnete. Dieses Gefühl beschrieb er als ein „durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens“. Dieses Vertrauen ins Leben ist eine Eigenschaft, die den Menschen sowohl seelische als auch körperliche Gesundheit beschert. Das Kohärenzgefühl umfasst drei Aspekte:

1. Gefühl des Verstehens

Gesundheit

Ich kann die Dinge, die mir widerfahren, in einen größeren Zusammenhang einordnen, ich kann Ursachen dafür ausfindig machen. Wer beispielsweise Krebs hat, sollte wissen, dass jeden Tag in jedem Organismus Krebszellen entstehen. Meist heilt sich der Körper wieder selbst, indem er diese Zellen eliminiert. Doch diese Regulationsmechanismen fallen manchmal aus:

Wenn negative Einflussfaktoren wie körperliche oder emotionale Gifte, hohes Alter, genetische Faktoren oder ungesunde Lebensweise überhand nehmen, können sich diese Zellen unkontrolliert vermehren.

Nicht immer kann man die Ursache einer Krankheit (oder prinzipiell eines Problems) komplett verstehen, aber man kann das Gefühl des Verstehens entwickeln, eine innere Ahnung bekommen, woher bzw. warum etwas eingetreten ist. Diese Ahnung verleiht dann Ruhe, Kraft und eine Ausrichtung.

2. Gefühlt der Handlungsfähigkeit

Gesundheit

Wenn ich weiß, woher etwas kommt, kann ich auch etwas tun, um die Balance wiederzufinden, sei es durch gesunde Lebensweise und Ernährung oder durch den Fokus auf reine zwischenmenschliche Beziehungen und konstruktive Gedanken.

Es ist auch das Gefühl, dass ich über Ressourcen verfüge, die mir helfen, meine aktuellen Schwierigkeiten zu meistern. Nicht immer habe ich die Kraft oder Möglichkeiten, alle Umstände zu verändern, die die Heilung verhindern. Doch das soll nicht als Ausrede dienen, deshalb „gar nichts zu tun“.

Wichtig ist das Gefühl, Akteur zu sein und nicht Opfer – und dann mit kleinen Schritten zu handeln beginnen.

3. Gefühl der Sinnhaftigkeit

Gesundheit

Wer keinen Sinn im Leben findet, der wird auch kaum Energie finden, gesund zu werden. Wofür lohnt es sich, zu leben und gesund zu werden? Welches Ziel, welcher Mensch, welches Ideal ist mir so wichtig, dass ich dafür einen womöglich schwierigen Weg gehen möchte?

Der Wiener Arzt und Psychologe Viktor E. Frankl lehrt in seiner Logotherapie, dass es gar nicht so schwer ist, den Sinn im Leben zu finden. Das Leben selbst „befragt“ uns jeden Tag danach ganz konkret. Diese kleinen oder größeren Aufgaben zu erkennen und versuchen, sie zu lösen, um an ihnen zu wachsen, kann den Sinn im Leben sein. Frankl schreibt:

Im Dienst an einer Sache oder der Liebe zu einer Person erfüllt der Mensch sich selbst. Je mehr er aufgeht in einer Aufgabe, je mehr er hingegeben ist an einen Partner, umso mehr wird er Mensch, wird er selbst. Sich selbst verwirklichen kann er also nur in dem Maße, in dem er sich selbst vergisst.

Viktor E. Frankl
Gesundheit

Frankl selbst konnte durch diese Geisteshaltung trotz unmenschlicher Torturen im Konzentrationslager immer wieder einen Sinn darin sehen. Er munterte auch seine Mitgefangenen auf, ja teilweise sogar seine Wärter, stellte sich vor, wie er nach seiner Befreiung über seine Erlebnisse Vorlesungen auf Universitäten halten würde und schöpfte daraus immer wieder Kraft, weiterzuleben.

Wer sich als darum bemüht, die Welt zu verstehen, selbst seines Glückes Schmied zu werden und tagtäglich einen Sinn im Leben zu finden – wird schneller gesund bzw. seltener krank. Das ergaben Antonovskys Forschungen. Diese Haltungen sind die Voraussetzung für die Gesundung, damit dieser „innere Heiler“, von dem Paracelsus sprach, aktiv werden kann.

Natürlich werden diese Konzepte nicht jede Krankheit heilen, aber sie sind ein wichtiger Teil der Heilung. Und egal, ob sich letztendlich physische Gesundheit einstellt oder nicht, die seelische Gesundheit wird von einem solchen Kohärenzgefühlt allemal profitieren.

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 159 (1/2020) des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.

 

Eine Antwort

  1. […] die gegenwärtige Krise zu überwinden, brauchen wir ein Verständnis der Verbundenheit und der Zusammenhänge der Natur. Die Natur als Ganzes und ihre Milliarden von Einzellebewesen beschenken uns mit einer […]

Schreibe einen Kommentar