Vollbremsung – Über die wunderbaren Chancen des Corona-Stillstands

Vollbremsung – Über die wunderbaren Chancen des Corona-Stillstands

Chancen

Von Tempo 200 auf fast Null, in nur wenigen Wochen, das konnte sich vermutlich so niemand vorstellen. Unser gewohntes Leben hat sich komplett umgestülpt in Europa und auf dem gesamten Planeten. Die Spezies Mensch erlebt einen Schockzustand, wie ihn sonst nur „Welt“-Kriege hervorrufen. Was soll man daraus machen? Welche Chancen können wir ergreifen?

Neu-Orientierung

Jeder einzelne von uns muss sich in diesen Tagen neu „orientieren“, neu finden, vielleicht sogar erfinden. Aber wo ist auf die Schnelle ein solcher Orient-Osten, wo eine neue Sonne, ein neues Licht, das aufgehen könnte, welches uns leitet?

Vorerst sind wir noch damit beschäftigt, uns an eine Welt anzupassen, deren Parameter sich grundsätzlich verschoben haben. Vieles, das noch vor kurzem selbstverständlich war, gilt nicht mehr. Jegliche Planung, ob beruflich oder privat, kurz-, mittel- und selbst langfristig wird illusorisch. Exponentielle Entwicklungen wie bei der Verbreitung des Coronavirus kann der menschliche Verstand kaum verarbeiten, noch weniger unsere Psyche insgesamt.

Exponentielles Wachstum

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Kann es sein, dass vielleicht auch unser Planet Erde ein Problem mit maßlosem Wachstum hat? Bis zum Jahr 1800 etwa, also während Millionen an Jahren menschlicher Entwicklung hindurch, wuchs die Erdbevölkerung auf insgesamt nicht mehr als eine Milliarde Menschen. In den darauffolgenden gut 200 Jahren, also seit Goethes Lebzeiten, haben wir um weitere fast sieben Milliarden zugelegt! Und jeder von uns acht Milliarden Menschen ist ein mehr oder minder großer, und stetig wachsender Zerstörer dieses wunderbaren blauen Planeten. Wie lange kann so eine Entwicklung noch gehen?

Gar nicht mehr, wie es scheint. Die Natur hat für eine Vollbremsung, ja vermutlich für eine fürsorgliche Notbremsung gesorgt, wahrscheinlich irreversibel. Der Spuk der Corona-Infektion wird nicht in zwei Wochen und auch nicht in zwei Monaten vorbei sein. Die ökonomischen Schäden bedrohen unzählige Existenzen und sind in Summe nicht abschätzbar.

Eine Rückkehr zu einem „Normalzustand“, wir müssen besser sagen, zum ganz normalen Wahnsinn der Vor-Corona-Zeit, wird es so nicht geben, sehr wahrscheinlich. Und selbst wenn nach einiger Zeit Produktionen und Bruttosozialprodukt wieder hochgefahren werden, so wird die Erinnerung an diesen existenzbedrohenden Vorgang individuell und kollektiv im menschlichen Gedächtnis eingegraben bleiben.

Eine Lernaufgabe für die Menschheit

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Und das alles ist gut so. Denn wir waren nicht fähig selbst zu erkennen, zu lernen und unser Tun eigenständig zu korrigieren. Das Coronavirus ist nun das Korrektiv, das uns viele wichtige und durchaus schöne Dinge lehrt, zum Beispiel:

  • Wir sind nicht Eigentümer dieses Planeten, sondern nur Mieter.
  • Natur, Menschen, Geschichte und Schicksal – all das ist auf das Engste miteinander verwoben.
  • Solidarität ist schön und nützt allen.
  • Und vor allem: Nichts ist unmöglich!

War es nicht gerade noch gestern, dass sich die Führer der Menschheit kaum darauf einigen konnten, den C02-Ausstoss ein wenig zu verringern? Heute geht es ganz einfach, die Lufthansa beispielsweise hat 95 % aller Flüge gestrichen! War es nicht gerade noch gestern, dass sich deutsche Autobauer und deren Klientel kaum dazu bequemen ließen, auf Elektromobilität umzustellen? Und sich nach Jahrzehnten der Ignoranz nur von der mutigen Firma Tesla dorthin treiben ließen? Heute stehen die Autowerke fast alle still. Wer soll noch ein neues Auto kaufen, wenn er sowieso Ausgangssperre hat?

War es nicht erst gestern, dass ein 16-jähriges schwedisches Mädchen dem arroganten Establishment aus Politik und Wirtschaft den bevorstehenden Klimakollaps erklären musste? Und dabei nur auf Häme stieß. Und jetzt geht von heute auf morgen doch, was die klugen, zumeist älteren und zumeist Herren als naiven Kinderkram abtaten, nämlich der komplette Umsturz all unserer bisherigen Lebens- und Arbeitsweisen.

Die historische Chance ergreifen

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Eine Krise zeigt stets die Aspekte des menschlichen Charakters deutlicher, sowohl im Guten wie im Schlechten. Schwäche, Ängstlichkeit und Egoismus auf der einen Seite, Solidarität, Kreativität und ungebrochene Zuversicht auf der anderen.

Vertreter der letzteren Gruppe haben die positiven Seiten der Corona-Krise bereits erkannt, wie etwa die allgemeine Entschleunigung, die angenehme Ruhe in unseren großen Städten oder die erhöhte Aufmerksamkeit im menschlichen Miteinander. Sie schmieden bereits jetzt an einer neuen und besseren Welt, die zumindest manche der alten Irrtümer vermeiden und Platz für Dinge schaffen wird, die viel besser dem wahren, dem inneren Leben eines Menschen dienen.

Der Preis für diese kollektive Lernerfahrung, welche uns die Natur in Form des Virus jetzt bietet, ist hoch – und er könnte sogar noch höher werden, falls wir jetzt nicht lernen wollen. Er besteht in dem Leid der Erkrankten und ihrer Angehörigen, in den Ängsten aller in ihrer wirtschaftlichen Existenz Bedrohter, in den Kosten einer allgemeinen psychischen Verunsicherung, eines beinahe kulturell-zivilisatorischen Stillstands.

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Deshalb ist es so besonders wichtig, dass wir jetzt ein Maximum an positiver Veränderung für den Evolutionsweg der Menschheit herausholen. Werfen wir zum Beispiel als allererstes das längst überholte materialistische Weltbild, das uns seit der Aufklärung verfolgt, endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte! Es war ein vergiftetes, trojanisches Geschenk.

Nein, wenn wir zivilisatorisch überleben wollen, können wir keine weiteren „Kriege“ mehr führen, wie es ein Herr Macron jetzt noch naiv „gegen das Virus“ tun möchte. Er und manch andere Technokraten haben es noch nicht ganz verstanden. Wir können uns keine weiteren Trennungen welcher Art auch immer mehr leisten. Krieg und separatistisches Denken war gestern, es ist die Formel für den Untergang.

Das wahre Mensch-Sein erringen

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Wir müssen vielmehr lernen, uns wieder zu verbinden, verbinden mit der Natur, mit unseren Mitmenschen und am allerwichtigsten mit unserer unsterblichen Seele und unserer wahren Bestimmung.

Wenn wir auf diese Weise wieder heil, also ganz werden, wenn wir uns selbst und den Kosmos wenigstens annähernd begreifen, dann können wir zu einem neuen glücklichen Leben zurückfinden.

Das kann uns dann zu einer neuerlichen Renaissance führen – zu einer Wiedergeburt als Menschheit insgesamt, verbunden mit der goldenen Chance, dann wahrhaft Mensch zu werden.

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 161 (3/2020) des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.

 

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