Soul Force – Gandhis gewaltige Macht

Soul Force – Gandhis gewaltige Macht

soul force

Die Kraft der Seele, von der hier die Rede sein soll, ist eine jedem Menschen innewohnende Eigenschaft, die leider allzu oft durch die Umstände des Lebens verschüttet worden ist.

Soul Force“ („Soul“ ist das englische Wort für „Seele“ und „Force“ heißt „Kraft“) als Begriff wurde von M. K. Gandhi
geprägt. Gandhi hatte mit seinem jedwede Gewalt verneinenden aktiven Widerstand und letztlichen Sieg gegen die Kolonialmacht England eine für die damalige Epoche völlig neue Form der Konfliktbehandlung und -lösung angewendet. Er beschrieb die Grundlagen seines Handelns mit dem Sanskrit-Wort „Satyagraha“, das er zum besseren Verständnis für die westliche Welt mit „Soul Force“ umschrieb. „Satya“ heißt in Sanskrit „Sein, Wahrheit“ und „graha“ heißt „gespannt sein, sich festhalten an“.

Gandhi selbst definierte Satyagraha mit „The Force which ist born out of Truth and Love“. Mit „Truth” (Wahrheit) ist hier jedoch nicht die scheinbare „Wahrheit” einer Aussage, eines religiösen oder politischen Konzepts gemeint, sondern die universelle Wahrheit der Einheit aller Wesen in ihrer Essenz. Als logische Folge davon haben Gewalt und durch den Menschen geschaffene künstliche Trennungen keine Daseinsberechtigung. Und mit „Love“ (Liebe) ist nicht die Liebe als besitzergreifende Form der Anziehung zwischen Menschen gemeint, sondern die allumfassende Liebe, die alle Wesen einschließt und keines ausnimmt, so wie die Sonne alle bescheint und keinen Unterschied macht.

Ein weiteres ganz wesentliches, diesem Wort zugrunde liegendes Konzept ist „Ahimsa”. Im Sanskrit steht die Vorsilbe „A“ für eine Verneinung, und „himsa“ heißt „Gewalt“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine Lebenshaltung, die Gewalt als etwas Nicht-Menschliches strikt ablehnt. Daraus entwickelte sich eine Grundhaltung der Achtung vor allen Wesen, da alle dieselbe Daseinsberechtigung haben.


Gandhi übersetzte anfangs Satyagraha mit „non-violence“, was im Deutschen mit „Gewaltlosigkeit“ oder „Gewaltfreiheit“ übersetzt wird. Er erkannte später, dass diese Umschreibung ein Fehler war, denn die Seele kennt Gewalt gar nicht und kann sie deshalb weder als Option wählen noch auf sie verzichten, denn verzichten kann man
nur auf etwas, das man hat. Gewaltlos oder gewaltfrei zu handeln hat aber immer die Präsenz der Gewalt als Option im Hintergrund.

  • Gewaltlos handeln ist oft nur eine taktische Vorgehensweise, wenn man sich dem Gegner unterlegen fühlt, und
  • Gewaltfreiheit ist ein Verzicht auf Gewalt aus ethischen Gründen.

Aber in beiden Fällen ist die Gewalt doch im Hintergrund vorhanden, und oft ist es nur eine Frage der Zeit und der
Umstände, bis sie ausbricht. Zudem haben diese beiden Begriffe die Grundbedeutung von „etwas nicht tun“ und können so schnell zur Passivität oder zur Opferhaltung führen. Nicht so Satyagraha.

Kampf als Lösung eines Konflikts durch die eigene innere Kraft

Gandhi, der ja selbst aus einer indischen Khsattrya (=Krieger)-Familie stammte, verwendete eine Form der Konfliktlösung, die für den westlichen Menschen eine völlig neue Herangehensweise an das Thema „Kampf “ ist, das in unserem Sprachgebrauch immer in irgendeiner Form mit Gewalt verbunden wird. Kampf ist aber hier die Lösung eines Konflikts durch die eigene innere Kraft, deren Grundhaltung mit „Einheit“ umschrieben werden kann und die völlig frei von Gewalt ist. Man nimmt damit die Verantwortung für den Konflikt auf sich und sieht daher auch die Ursachen dafür primär bei sich selbst, während der andere zum Spiegelbild der eigenen, nicht genutzten oder falsch eingesetzten Potenziale wird. Damit löse ich den Konflikt selbst. Als Konsequenz dieser Haltung wird der Gegner nicht mehr als Feind gesehen, sondern als gleichberechtigter Partner, ja sogar als Verbündeter und potenzieller Freund.

Das Revolutionäre an dieser kriegerischen Haltung ist die Bereitschaft, im Zuge der Konfliktlösung auch Schläge einzustecken und in keinem Fall zurückzuschlagen, auch nicht auf der psychischen Ebene. So baut man schrittweise Vertrauen bei einem Gegner auf, dem dieses Konzept fremd ist. Damit werden bei der Konfliktlösung auch die eigenen, persönlichen Ziele hintangestellt und die gemeinsame Verbesserung des Zustandes tritt in den Vordergrund.

Soul Force ist Gütekraft: eine aktive und effektive Form der Handlung

Mit Soul Force (ein deutscher Begriff dafür ist „Gütekraft“, der mir persönlich aber nicht so gut gefällt) zu handeln bedeutet, dem Gegner Paroli zu bieten und gleichzeitig Vertrauen aufzubauen. Es ist also weit weg von Passivität und eine höchst aktive und effektive Form der Handlung. Vor allem aber gibt es hier keine Schuld, sondern nur den Willen für eine gemeinsame Verbesserung der Situation.

So folgt der Güte freiwillig die Unschuld aus eigenem Antrieb.

Seneca