Drei Geistesgifte und deren Heilmittel

Drei Geistesgifte und deren Heilmittel

Das Schwein, die Schlange und der Hahn in dir

Das Rad des Lebens dreht sich für uns alle: Geburt, Jugend, Alter, Tod. Wer kennt sie nicht, die Zeiten, als wir uns im siebten Himmel empfinden, und diejenigen, in denen wir uns wie jene empfinden, denen das Schicksal Feuer unterm Hintern macht. Im Buddhismus wird dieses Auf und Ab im Leben „Samsara“ oder „Bhavachakra“ genannt und in farbenfrohen Bildern dargestellt. Was treibt dieses Rad an? Gibt es einen Ausweg?

Die bunten und symbolreichen Darstellungen des Lebensrades haben mich schon immer fasziniert. Man sieht sie auf Tempelwänden oder Thangkas (Rollbilder) und sie beschreiben die Essenz des Buddhismus: Eine grimmige Gestalt hält ein enormes Rad, in dem sechs Welten dargestellt sind, die die unterschiedlichen Phasen des Lebens darstellen. Die grimmige Gestalt ist Mara, der „Verführer“ oder in einer anderen Interpretation Yama, der Gott des Todes und der Unterwelt. Oben sieht man meist zwei Buddhafiguren, die Hoffnung auf Erlösung vermitteln, und im Zentrum drei rätselhafte Tiere: Schwein, Schlange und Hahn.

WAS HAT ES MIT DIESEN SYMBOLEN AUF SICH?

Den größten Teil des Bildes nehmen die sechs Welten ein: die Welt der Götter, der Halbgötter, der Menschen, der Tiere, der Hungergeister und die Welt der Hölle. Man kann dies so verstehen, dass es sich um verschiedene Inkarnationen der Seele in Mensch- und Tierreich bis hin zu einer göttlichen Dimension handelt. Eine andere Interpretation geht davon aus, dass es immer um das menschliche Leben geht – selbst, wenn symbolisch Tiere oder Götter dargestellt sind. Die tierische Dimension wäre beispielsweise ein Leben, das ohne die spezifisch menschliche Dimension – die Vernunft – gelebt wird.
Ganz außen werden die zwölf „Nidanas“ beschrieben, die Abschnitte des „Bedingten Entstehens“, die die Art und Weise beschreiben, wie die Seele wiedergeboren wird. In diesem Artikel geht es jedoch um das Zentrum bzw. um die Essenz: um den Menschen, der in der lichten Hälfte des Rades aufsteigt und auf der dunklen Seite absteigt, was auf die permanente Möglichkeit des Auf- und Abstiegs des Bewusstseins hindeutet. In der Radnabe findet sich die Ursache für den Fall des Bewusstseins in die trügerische Welt von Maya: die drei Geistesgifte, die das gesamte Rad in Bewegung halten:
die Schlange als Symbol für den Hass, der Hahn als Symbol für die Gier, das Schwein als Symbol für Unwissenheit oder Verblendung.
Die Darstellungen der Buddhas in den sechs Welten sowie außerhalb davon weisen auf die permanente Möglichkeit der Erlösung hin. Wie? Indem man in sich die drei Geistesgifte erkennt und transformiert.

DER HAHN IN DIR ODER DIE GIER

Hühner verbringen viel Zeit damit, nach jedem Korn und Wurm zu picken. Ihr Lebensfokus ist meist ein kleiner Bereich Boden, den sie begierig nach Essbarem durchforsten. Inwieweit verhalten wir uns manchmal wie Hühner – den Blick gespannt auf ein paar „Körner“ gerichtet, kaum den Blick zu höheren oder weiteren Horizonten richtend? Der Gier liegt eine anhaftende Geisteshaltung zugrunde. Das kann der Schokoriegel sein, den ich jetzt „unbedingt brauche“, die neuesten Nachrichten auf dem Handy oder die Zahl der Likes für eines meiner Fotos. All das hat einen Aspekt der „Dringlichkeit“, des „um jeden Preis Haben-Müssens“. Aber wer muss das haben? Ich selbst oder der Hahn in mir?
Letztendlich ist Gier auf eine Form des Mangels zurückzuführen. Mit etwas Achtsamkeit können wir erkennen, dass die Erfüllung vieler Wünsche keine echte Befriedigung schafft, sondern immer wieder neue Wünsche generiert. Natürlich werden wir nicht ganz ohne Wünsche leben, aber wir können bewusst auswählen, welchen Wunsch wir uns erfüllen, ob der gerade drängende wirklich so wichtig ist oder lediglich kurzfristige Genugtuung schafft …

Geistesgifte: Gier

SUBTILERE FORMEN VON GIER

Gier beziehungsweise Anhaften kann sich auch in Vergangenheit oder Zukunft bemerkbar machen. In der Vergangenheit als fehlende Fähigkeit, Dinge loszulassen („damals war alles besser, die Studienzeit war die beste meines Lebens, danach ging alles bergab, damals war mein Körper noch schön …“) und in der Zukunft als Erwartung und Hoffnung auf etwas, dass uns dann zukünftig Zufriedenheit geben soll. Die gesamte westliche Welt mit all ihren Problemen ist wie ein kollektiver Ausdruck von Gier, die aus einer endlichen Welt immer mehr und mehr herausschlagen will mit den Folgen der ökologischen Katastrophe. Ein weiterer Ausdruck ist das Streben nach ewigem (physischem) Leben, das im Transhumanismus gipfelt.

WAS TUN?

  • Nicht jedem Impuls sofort nachgehen. Viktor Frankl appelliert an unser menschliches Bewusstsein, wenn er sagt: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
  • Die vergängliche Natur jeder äußeren Befriedigung vor Augen führen und stattdessen nach dauerhaftem Glück suchen: Wenn der Genuss vorbei ist, was dann? „Reich ist, wer weiß, dass er genug hat“, lautet ein weiser Ausspruch, der auf Laotse zurückgehen soll.
  • Den Geist auf andere Dinge richten: Wir können gleichzeitig nicht an zwei Dinge denken. Den Geist mit einem erhebenden Zitat füllen oder einem schönen Gedicht …
  • Geben. Heilung entsteht auch durch das Erlebnis von Verbundenheit und diese wird durch Geben und Großzügigkeit gefördert.