Tiefsinn in Bewegung – philosophische Gedanken zum Sport

Tiefsinn in Bewegung – philosophische Gedanken zum Sport

Sport

Kann der Sport als Spiegel- und Zerrbild unserer Zeit all dem Schindluder, all den giftigen Sedimenten – Korruption, unlautere Mittel, Manipulation… – trotzen? Nun, ich hoffe, dass die eigengesetzliche Anmut, Schönheit, Eleganz und Fesselungskraft, die in den Sport eingeschrieben sind, die seine wahre Verfasstheit ausmachen, viel zu erhaben und exzellent sind, um an der destruktiven Instrumentalisierung des Menschen zuschanden zu gehen.

Wenn man als Heranwachsender des Öfteren mit dem Satz konfrontiert war: „Wenn wir schon das Mädchen bei uns in der Mannschaft aufnehmen müssen, kriegt ihr aber den Dicken“, dann ist die Affinität des Beleibten bezüglich des Sports nicht nur körperlich, sondern auch geistig und seelisch von überschaubarer Qualität. Wenn das Mädchen nicht anwesend war, befand sich der Autor dieser Zeilen zumeist im Acker hinter dem Tor, um die Bälle wieder ins Spielfeld zurückzuwerfen, damit der Spielfluss der anderen aufrechterhalten bleiben konnte.

Kein sehr rühmliches Dasein und doch: Vielleicht ist der Philosoph gerade das Wesen, das am Spielfeldrand steht, der Randständige, der Ausgegrenzte, der nicht mitspielen darf und in diesem Ausgebootet-Sein anfängt, seinen philosophischen Besteckkasten zu entdecken und zu schärfen.

Wahrscheinlich waren es gerade diese tristen Momente im Erdreich, in denen die philosophischen Kulturen des Beobachtens, des Zweifelns und des Staunens angelegt wurden. Der Acker als Logenplatz für die sinnliche Wahrnehmung vom Meistern und Scheitern, als Mutterboden für das Staunen der Könnerschaft anderer und als Nährboden für den Zweifel gegenüber den eigenen Fähigkeiten. Gerade der Zweifel mit seinem Kompagnon, der Unzufriedenheit, sind oft Movens für und in anderen Betätigungsfeldern. Also Philosophie statt Sport.

Ist Philosophie nicht auch eine Liebe zur Selbstüberforderung und Selbstüberhebung? Verkörpert sie nicht die Ideale von Agon und Arete, also den Kampf, das Ringen nach den bestmöglichen Gedanken und dem Streben nach Vorzüglichkeit im Leben? Transformiert nicht die Philosophie ohnehin den Atheismus in den Bereich des Logos?

Nicht umsonst hat sich von den fünf Wirkmächtigen der Antike

  • dem Helden
  • dem Weisen
  • dem Athleten
  • dem Universalgelehrten und
  • dem Heiligen

hauptsächlich der Athlet in unsere Zeit herübergerettet. Es hat sicherlich nicht nur mit dem Athlon (Preisgeld, wovon sich das Wort Athlet ableitet) zu tun, dass Baron de Coubertin im Jahre 1896 die Renaissance des Athleten einläutete. Er wusste, dass wir Grenzen nicht beseitigen oder aufheben können, dass wir die Sterne nie erreichen werden, aber er wusste auch, dass es Menschen braucht, die es immer wieder versuchen.

Grund genug, uns mit dem Wesen zu beschäftigen, das wie keine andere Spezies sich überschreitet und über sich hinausweist, weil es nicht im Sein ruht, sondern in seinem Bezug zum Sein sich stets aufs Neue entwirft und erfindet. Was also lehrt, gibt und schenkt uns der Athlet auf seinem Spielfeld für unser Lebensfeld?

Alltägliche Wirklichkeit und Sport

Nun, alles was wir aus unserer alltäglichen Wirklichkeit kennen, findet sich im Sport wieder – nur wesentlich höher verdichtet. Unsere Wirklichkeit ist alles, das nicht verschwindet, dem wir uns nicht entziehen, dem wir nicht entfliehen können und das unentwegt Widerstand leistet. Die Leistung des Sports liegt in seinem erheblichen Beitrag, den Menschen mit Mut und Willen auszufüllen, um gegenüber Kämpfen und Widerständen des Lebens besser bestehen zu können. Der Athletismus als Kippschalter, als Drehregler für unseren Zugang zur Welt.

Die drei Hauptsätze des Sports lauten daher:

  • Übe, damit du mit freiwilligen Anstrengungen unfreiwillige Anforderungen bestehst!
  • Ambition, die unter anhaltender Förderspannung steht, wird gleichsam aus sich heraus zu gesteigerter Ambition, zu gesteigertem Können.
  • Geh hinaus – es gibt eine Welt, in der das Leben lebt! Du wirst die Schönheit des Sports in der Härte spüren. Du wirst erfahren, woraus die Wirklichkeit gemacht ist, weil du durch Grenzerfahrungen lernst, wie es sich anfühlt, dem Widerstand zu begegnen.