Gleichheit, Gleichberechtigung, Gerechtigkeit
Wenn scheinbar Gleiches Konturen erhält.
In den heutigen Gesellschaften überlappen einander Gleichheit, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit in vielen Bereichen des Lebens. Wegen ihrer diffusen Konturen und der Größe ihrer Schnittmenge tendieren viele Menschen dazu, diese Begriffe miteinander zu vermischen und sie einander gleichzusetzen. So wird fälschlicherweise aus der Gleichheit ein Synonym für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Diese Vorstellung wurde in dem gescheiterten Sozialismus und dem fehlkonzipierten Kommunismus mit fatalen gesellschaftlichen Folgen umgesetzt.
- Gleichheit wurde im Sozialismus zum Selbstzweck erklärt und mit der brachialen Gewalt des Systems durchgesetzt. Der Sozialismus war extrem hierarchisch aufgebaut und die Macht konzentrierte sich zunehmend an der Spitze der gesellschaftlichen Pyramide.
- In einem System, in dem der Faktor Macht so entscheidend für die gesellschaftliche Stellung der Menschen ist, kann von Gleichheit nicht die Rede sein, denn Macht stellt per definitionem eine ungleiche zwischenmenschliche Beziehung dar. Trotz der Anstrengungen, Gleichheit durch uniformiertes Verhalten, durch gleiche Löhne und durch gleichen materiellen Status zu etablieren, wurde diese Gleichheit durch die Ungleichheit der Macht aufgehoben.
- Die Gleichheit wird auch durch die Biologie des Homo sapiens unmöglich gemacht. Die Menschen sind Individuen und in der Gesamtheit ihrer DNA mit ihrer Persönlichkeit Unikate. Zwischen den Individuen gibt es Differenzen, die eine Gleichheit zwischen ihnen verhindern. In einer liberalen Gesellschaft hat Gleichheit nur Bedeutung als statistische Vergleichsgröße, die mit Vorsicht und Bedacht interpretiert werden sollte. Das gilt insbesondere für Gesellschaften, die sich in einem postmaterialistischen Entwicklungsstadium befinden. Bildungsunterschiede, Intelligenzunterschiede, unterschiedliche soziale Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeiten sind Kategorien, die für die gesellschaftliche Stellung der Individuen extrem wichtig geworden sind und keinen äußerlichen Ausdruck haben. In einer Zukunft, in der der Transhumanismus Realität werden kann, werden Unterschiede zwischen den Menschen auf der Stufe einzelner Bits an Informationen entstehen.
Die Ungleichheit in der Gesellschaft der Zukunft wird immer weiterwachsen und immer raffiniertere Formen annehmen.
Deswegen ist die Frage in einer liberalen Gesellschaft nicht, ob es Gleichheit zwischen den Menschen gibt, sondern wie man mit der Ungleichheit umgeht.
Die Gleichberechtigung
An diesem Punkt kommt der Begriff Gleichberechtigung in die Diskussion. Die Gleichberechtigung ist
Gleichstellung der Individuen vor dem Recht. Sie erzeugt eine abstrakte Gleichheit in der abstrakten Welt des Rechts und ermöglicht somit eine gleichgestellte Existenz im Rahmen eines Rechtsstaates. Es ist sofort ersichtlich, dass Gleichberechtigung nur im Rahmen eines funktionierenden Rechtsstaats mit anerkannten und funktionierenden rechtsstaatlichen Institutionen existenzfähig ist.
In Gesellschaften ohne Rechtsstaatlichkeit kann über Gleichberechtigung nicht gesprochen werden, weil dort das Recht zugunsten der Privilegierten und der Mächtigen angewandt wird. Die elementaren Voraussetzungen für eine Gleichberechtigung in einer Gesellschaft sind unabhängige Justiz, unabhängige Legislative und unabhängige Rechtsprechung in unabhängigen Institutionen. Die Gleichberechtigung ist kein Naturzustand und somit auch keine Selbstverständlichkeit. Sie ist ein Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung und des gesellschaftlichen Fortschritts.
Die Gleichberechtigung ist für die Demokratien und ihren Fortbestand sehr wichtig und erlaubt den Menschen aus Minderheiten dennoch ein gleichwertiges gesellschaftliches Leben und gleichwertige gesellschaftliche Teilnahme. In diesem Sinn ist Gleichberechtigung gesellschaftliche Inklusion und bedeutet gesellschaftlichen Zugang.
Diese Tatsache offenbart die größten Feinde der Gleichberechtigung in einer Gesellschaft: Privilegien und Diskriminierung. Ironischerweise sind diejenigen privilegiert, die über das Recht bestimmen oder vom Recht profitieren, was dazu führt, dass Privilegien eine erstaunlich lange Lebensdauer haben. Diskriminierung ist ein weitaus schlimmeres Phänomen, weil es sich dabei um bewussten Ausschluss
und Benachteiligung von Minderheiten handelt.
Gleichberechtigung ist Gleichstellung vor dem Recht und in ihrer Existenz durch ökonomische Ungleichheit direkt bedroht.
Bei steigenden Gerichtskosten und Gebühren werden viele Menschen vom Gang vors Gericht durch finanzielle Überlegungen abgehalten. Daraus entsteht eine Privilegierung der Reichen, die sich die Gerichtskosten, auch im Fall einer Niederlage; leisten können, gegenüber Menschen mit geringem Einkommen, die, auch wenn sie recht haben, den Weg ins Gericht nicht antreten. Diese finanzielle
Ungleichheit hebt die Gleichberechtigung auf. Daher ist es zwingend notwendig, den Zugang zum Rechtssystem von ökonomische Gegebenheiten und monetären Einschränkungen zu befreien. Die Rechtsversicherung ist dafür das falsche Instrument. Das Richtige wäre, dass die Gemeinschaft solidarisch die Kosten des Zugangs zum Rechtssystem trägt und auf diese Weise die Gleichberechtigung solidarisch lebensfähig hält.