ALLER WESEN URSPRUNG IST NACHT

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Galaxie

Die Schöpfungsmythen der Welt

Als Ursprung und Grundlage des gewaltigen Weltenspiels sehen die Völker sämtlicher Erdteile eine große, grenzenlose Kraft, die den Kosmos in einem einmaligen Schöpfungsprozess hervorbrachte. Und der Mensch selbst? Woher kommen wir, wo haben wir unseren Platz?
Den Schöpfungsmythen zufolge verdankt der Mensch jedenfalls einer Gottheit das Geschenk seines Daseins. Es ist der Mythos, der die Erinnerung an diese Verbindung wach hält und daher zyklisch in das Bewusstsein gerufen werden muss, sei es als Erzählung, Tanz oder Spiel.

Die Heilige Zeit

Schöpfungsmythen erzählen von einer heiligen Geschichte, von Ereignissen, die in der Frühzeit stattfanden. Deshalb ist der Mythos immer der Bericht einer Schöpfung, er erzählt, wie etwas entstand. Diejenigen, die die Schöpfung eingeleitet haben, werden als Götter bezeichnet. Folglich wird der Inhalt der „Geschichte” für absolut wahr gehalten, da das Übernatürliche ein wesentlicher Bestandteil des Weltbildes darstellte.
Die Menschen selbst können durch die Wiederholung des Mythos in einem Ritus, Gesang, Tanz oder einer Zeremonie diese Welt aktualisieren und damit die „Heilige Zeit” und den „Heiligen Raum” betreten. Zeremonien und Feste dieser Art stellen dabei eine natürliche, in den jahreszeitlichen Ablauf integrierte Handlung dar, durch die die Kontinuität der Verbindung zwischen der heiligen und profanen Welt bewahrt wird.

Schöpfungsmythen

Schmetterlingsentwicklung

Die Erschaffung der Welt steht am Beginn aller Schöpfungsmythen. Ist dieses vollbracht, kann sich der Entwicklungsprozess im Entstehen von Gottheiten, Menschen, Tieren, Werkzeugen usw. fortsetzen. Deshalb ist die Kosmogonie das Muster für jede schöpferische Tätigkeit.
So beginnen die Erzählungen der großen tibetischen Familien und Dynastien mit der Geburt des Kosmos aus einem Ei. Ein Rezitieren der Schöpfungsgeschichte wird auch bei bestimmten Krankheiten zur Heilung eingesetzt. Als Musterbeispiel für einen Neuanfang hilft sie dem Kranken, diesen ersten Schritt auf dem Weg der Genesung zu tun. Die Rückkehr zu den Ursprüngen verleiht die Möglichkeit zur Wiedergeburt.
Die heiligen Gesänge der Polynesier bei der bevorstehenden Geburt des neuen Häuptlings drücken ebenfalls die Macht aus, die in den Geschehnissen der Anfänge liegt. Sobald eine Stammesfürstin schwanger wird, komponieren die Schamanen eigene Gesänge, die die Erschaffung der Welt zum Inhalt haben. Indem die Hulatänzer, Männer wie Frauen, bis zur Geburt des Kindes die Kosmogonie und die Geschichte des Stammes in ihren Gesängen und Tänzen wiederholen, stehen sie dem neuen Fürsten bei seiner Entwicklung bei. Das Heranwachsen eines neuen Häuptlings im Mutterleib bietet die Gelegenheit für eine symbolische Neuschöpfung der Welt, wobei der Inhalt der Gesänge der Erinnerung und Bestätigung dient.
Wenn bei den Osagaindianern ein Kind geboren wird, rufen sie „einen Mann, der mit den Göttern gesprochen hat”. Beim Eintritt in das Haus der Mutter wiederholt er vor dem Neugeborenen die Schöpfungsgeschichte des Universums und der Tiere der Erde. Erst danach wird dem Kind die Brust gereicht. Wenn das Kind, älter geworden, Wasser zu trinken verlangt, wird der Mann wiederum gerufen. Diesmal fügt er der Schöpfungsgeschichte diejenige der Erschaffung des Wassers hinzu. Und wenn das Kind alt genug ist, um feste Nahrung zu sich zu nehmen, wird dieser Mann zusätzlich über die Entstehung von Getreide und weiterer Nahrungsmittel berichten.