ALLER WESEN URSPRUNG IST NACHT
Elemente der Ursprungsmythen
Immer wiederkehrende Elemente in den Schöpfungsmythen lassen folgende Hauptgruppen erkennen:
- Schöpfung aus dem Nichts
Ein höchstes Wesen erschuf die Welt durch einen Gedanken, ein Wort o. Ä. Bekannte Beispiele wären die Mythen um den ägyptischen Gott Ptah, den polynesischen Gott Kiho und den „Erdenmacher” der Winnebago-Indianer. - Das Erdtaucher-Motiv
Ein Gott taucht auf den Grund eines (Ur-)Meeres bzw. schickt ein Tier in die Tiefe, um ein Stück Erde heraufzuholen, aus dem die gesamte Welt erwächst. Dieser Mythos ist besonders in Zentral- und Nordasien, Nordamerika, in Indien sowie im osteuropäischen Kulturraum anzutreffen. - Schöpfung durch die Teilung einer Ureinheit
Trennung von Himmel und Erde, die häufig als Ur-Eltern angesehen werden. Beispiele hiefür finden sich im alten Ägypten, Mesopotamien und Griechenland bis nach Ostasien und Polynesien. Trennung der ursprünglich gestaltlosen Masse, wie es zum Beispiel bei den japanischen und orphischen Kosmogonien anzutreffen ist.
Teilung eines kosmischen Eies in zwei Hälften. Dieses Motiv ist in Polynesien, Indonesien, Indien, im Iran, in Griechenland, Mittelamerika, an der Westküste Südamerikas sowie bei den Phönikern und Finnen anzutreffen. - Schöpfung durch Zerstückelung eines Urwesens
Dieses Urwesen trägt entweder anthropomorphe Züge, wie der Riese Ymir in der nordischen Mythologie, der vedisch-indische Purusha sowie der chinesische Pan-Ku, oder es wird aus den Teilen eines Ungeheuers (z. B. die mesopotamische Tiamat) die Welt erschaffen.
Schöpfungsmythen des Hinduismus
Der Rig-Veda ist eine Sammlung von mehr als 1000 Hymnen, die, so nimmt man an, um 1500 v. Chr. im Nordwesten Indiens in Sanskrit verfasst wurden. Der zentrale Mythos im Rig-Veda ist der Schöpfungsbericht, der allerdings auf verschiedene Arten beschrieben wird.
In einer Version wird erzählt, dass das Universum aus dem Chaos entstanden sei, als Indra, der König der Götter, Himmel und Erde voneinander trennte. Danach ging die Sonne auf, wobei sich an ihrem Ausgangspunkt, dem Nabel der Erde, eine Säule erhob. Diese Säule trennte den Himmel von der Erde und stellte von nun an die Achse der Welt dar.
Gemäß einer jüngeren Hymne soll das kosmische Wesen Purusha zerstückelt worden sein, um aus seinen Körperteilen den Kosmos und die vier Kasten der Gesellschaft entstehen zu lassen. Eine weitere Version beschreibt die Entstehung des Seins aus dem Nicht-Sein. Am Anfang gab es weder Tag noch Nacht, weder Tod noch Unsterblichkeit.
Dann entstanden aus der Dunkelheit und den Ur-Fluten die einzelnen Wesen der Schöpfung, unter ihnen auch die Götter. Der Schöpfungsgott schlechthin, Prajapati bzw. Brahma, der „Herr der Geschöpfe”, schuf zusammen mit seiner Tochter, der Morgenröte, ein goldenes Ei, entstanden aus einem goldenen, in die kosmischen Fluten gefallenen Samen.
Dieses Ei entwickelte sich durch die Spaltung in zwei Teile (Himmel und Erde) zum Universum, wobei aus dem Eidotter unsere Sonne wurde.
Schöpfungsmythen der Griechen
Laut Hesiod war am Anfang das Chaos, das Symbol der latent anwesenden Gottheit des leeren kosmischen Raumes, wobei diese Leere als kosmische Wesenheit verstanden werden muss. Danach differenzieren sich Gaea (die Urmaterie) und Eros der Ältere (der Urimpuls bzw. die Liebe) und bilden zusammen mit dem Chaos die erste Schöpfungstriade. Desgleichen bildet sich der Tartaros als dunkles Gebiet unter der Erde. Aus dem Chaos entstehen Erebos (Personifikation der drei lichtlosen Kreise der Dunkelheit, die den Tartaros umgaben) und Nyx (die Nacht, Urmutter des Eros des Jüngeren). „Aber der Nacht entstammen der leuchtende Tag (Hemera) und der Äther (Aither) … Gaea erzeugte zuerst den sternigen Himmel (Uranos), gleich sich selber, damit er sie dann völlig umhülle …” (aus Hesiod, „Theogonie”).
Die erste olympische Dynastie besteht aus der Nachkommenschaft von Gaea und Uranos. Es sind dies die zwölf Titanen, drei Zyklopen und drei Hekatoncheiren. In den weiteren Schritten der Schöpfung wiederholt sich diese immer wieder, indem die neue Generation die alte ablöst.
In diesem Fall versucht Uranos dies zu verhindern und sperrt seine Kinder in die Tiefen der Erde. Doch einer seiner Söhne, Kronos, übernimmt die Herrschaft, indem er Uranos entmannt, die Titanen befreit und zusammen mit seiner Frau Rhea die zweite olympische Dynastie gründet. Auch Kronos versucht seine Kinder von einer Machtübernahme abzuhalten, indem er sie verschlingt. Nur Zeus entkommt diesem Wüten, besiegt seinen Vater und lässt diesen alle verschlungenen Geschwister wiederum ausspeien. Damit wird Zeus zusammen mit seiner Frau Hera oberster Gott der dritten olympischen Dynastie.