Mit Mutter Erde zusammenleben

Mit Mutter Erde zusammenleben

Nach Jahrhunderten, in denen die Menschen die Natur und Mutter Erde als Rohstofflager betrachtet haben, ist heute der „Große Wandel“ zu einem neuen Natur- und Weltverständnis in vollem Gange – fast unbemerkt von den Mainstreammedien. Und ebenso die Entwicklung neuer lebenserhaltender Systeme und Handlungsweisen. Inspiriert wird dieser Wandel von alten Weisheitstraditionen, dem Beispiel indigener Kulturen und aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft. Inspiriert von der „richtigen Geschichte“, kann jeder einzelne zum Mitgestalter dieses Wandels werden.

Die Natur als ausbeutbare Ressource

Descartes und Newton schufen das Maschinenbild des Lebens im 17. Jahrhundert. Descartes behauptete, dass einzig der Mensch eine Seele in Form seines Geistes hat. Der Natur sowie Tieren und Pflanzen sprach er die Seele ab. Noch heute betrachten wir westliche Menschen die Erde und ihre Lebewesen als Ressourcen, die wir nach Belieben nutzen oder ausbeuten. Unser Verhältnis zur Natur ist geprägt von Kampf und Unterwerfung, denn Darwins Evolutionstheorie haben wir so interpretiert, dass nur die Stärksten überleben und sich durchsetzen.

Dabei vergessen wir: Sollten wir die Natur besiegen, gehören wir selbst zu den Besiegten. Derzeit verbrauchen wir global betrachtet jedes Jahr um 70 % mehr Ressourcen als die Erde regeneriert. Der Living Planet Index, der die Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Reptilien und Amphibien erfasst, zeigt seit 1970 einen Rückgang der beobachteten Wildtierpopulationen um 69 %.

130 – 150 Pflanzen- und Tierarten sterben jeden Tag aus, weshalb wir uns heute im größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit vor 65 Millionen Jahren befinden. Dieser Verlust an Lebensvielfalt ist bedrohlich, da diese die Fähigkeit zum Ausbalancieren eines Ökosystems steigert. Je geringer die Biodiversität hingegen ist, umso mehr verringern Ökosysteme bzw. auch die Erde als Ganzes diese Fähigkeit und es steigt die Gefahr eines Kollapses ganzer Ökosysteme.
Als der Begründer der Gaia-Theorie, James Lovelock bei einer Diskussion gefragt wurde, wie Gaia – also das Gesamtökosystem Erde – denn am Ende des 21. Jahrhunderts mit dann zehn oder zwölf Milliarden Menschen funktionieren werde, antwortete er nicht, dass Menschen dann ökologischer würden leben müssen. Er sprach auch nicht von neuen Technologien oder Arten des Wirtschaftens. Er sagte, am Ende des Jahrhunderts würden wohl eher nur noch etwa eine Milliarde Menschen auf der Erde leben.

Was brauchen wir für die Wende?

Die Fokussierung auf die Themen Klima und Erderwärmung wird von einigen Ökologen heute als Fehler betrachtet. Denn dadurch leben heute viele Menschen in der Annahme, dass wir die Krise bewältigen können, indem wir den CO2-Ausstoß reduzieren. Es würde also genügen, E-Autos statt Autos mit Verbrennungsmotoren zu fahren und von fossilen auf regenerative Energien umzusteigen.

Eine Technologie durch eine andere zu ersetzen, ändert aber nichts an den Wurzeln des Problems, welches sich im Artensterben ausdrückt. Wie Einstein sagte, können wir ein Problem nicht durch dieselbe Art des Denkens lösen, die es hervorbrachte. Und die Wurzel des Übels liegen wohl eher in dem Weltbild, dass wir von Descartes, Newton & Co geerbt haben. Uns als Menschen getrennt von der Natur und von Mutter Erde zu fühlen.

Um das Problem an der Wurzel zu packen und die Ausbeutung der Natur zu beenden, fordern Stephan Harding und andere Wissenschaftler heute eine Lebensphilosophie, mit der wir die Erde und jedes Lebewesen als beseelt wahrnehmen. Der Begründer der Tiefenökologie Arne Näess sprach davon, dass jedes Lebewesen einen intrinsischen Wert hat und nicht auf den Wert reduziert werden darf, den wir Menschen ihm als Ressource beimessen.

Sich von der Natur berühren lassen und sie liebevoll berühren

Sonnenblumen

Andreas Weber fordert in diesem Sinne eine ‚erotische‘ Ökologie. Wie können wir uns von der Natur wieder berühren lassen und lernen, sie liebevoll zu berühren. Das mechanistische Weltbild und die seit der Aufklärung einseitig betonte Rationalität und Logik haben unsere Sinneswahrnehmungen, das Bewusstsein unserer Gefühle sowie unserer Empathie verkümmern lassen. Die Natur wird hauptsächlich in Laboren und mit quantitativen Methoden untersucht und den Kindern in Klassenzimmern mit sterilen Schulbüchern oder Filmen nahegebracht.

Welche anderen sinnlichen Erfahrungen und Gefühle ermöglichen uns hingegen ein Waldspaziergang, die aufmerksame Betrachtung einer Blumenwiese oder einer einzelnen Blume, das Lauschen des Konzerts der Vögel vor dem Sonnenaufgang, oder im nächtlichen Sternenhimmel zu versinken.

Nach Jahrhunderten, in denen die Menschen die Natur und Mutter Erde als Rohstofflager betrachtet haben, ist heute der „Große Wandel“ zu einem neuen Natur- und Weltverständnis in vollem Gange. Welch andere Erlebnisse ermöglicht uns die gemeinsame körperliche Arbeit mit anderen Menschen in einem Permakulturgarten.