Was die Welt im Gleichgewicht hält

Was die Welt im Gleichgewicht hält

WAS MEINT PLATON? Nach Jahrhunderten der Ausbeutung von Natur und Mutter Erde, ist heute der Wandel zu einem neuen Natur- und Weltverständnis in vollem Gange.

Lassen Sie uns die Perspektiven wechseln und betrachten wir vorerst die Antike, beginnend bei Platon und seiner Vorstellung von Gerechtigkeit. Sein Konzept ist die älteste schriftlich verfasste Philosophie der Gerechtigkeit in Europa. Dabei müssen wir bedenken, dass Platon 428 – 348 v. Chr. gelebt hat. Die heutigen gesellschaftlichen und politischen Strukturen waren ihm unbekannt. Wir wollen versuchen festzustellen, ob die Ideen der Antike heute noch Tragkraft besitzen.
In der „Politeia“ diskutiert Platon verschiedene Ansätze der Gerechtigkeit. Für Platon gehört die Gerechtigkeit in den Bereich des Gemeinwesens bzw. des Gemeinwohls. Jeder Mensch soll sich nach seinen Fähigkeiten und Kompetenzen in dieses Gemeinwesen einbringen. Obwohl Platon von einem „Drei-Klassen-System“ spricht, den Regenten, die das Gemeinwesen leiten, den Wächtern, die für die Sicherheit nach innen und außen zuständig sind und den Bürgern, die ihren berufsspezifischen Interessen nachgehen, können wir daraus die Idee entnehmen, dass jeder Mensch kraft seiner Fähigkeiten und Kompetenzen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen soll. Das impliziert eine gewisse Ordnung in den Strukturen des Gemeinwesens. Für Platon geht es demnach nicht um eine Beurteilung von Handlungen oder Zuständen, die als gerecht oder ungerecht empfunden werden, sondern vielmehr um den Zustand einer inneren Ordnung und Harmonie im Gemeinwesen und mit sich selbst. Wenn jeder um seine Fähigkeiten weiß und womit er dem Gemeinwesen nützlich sein kann, entstehen eine innere Balance bzw. innere Ordnung und innerer Frieden.
Diese innere Ordnung und Frieden spiegeln sich dann im Kollektiv wider. Voraussetzung für diese (innere) Ordnung ist, dass sich der Mensch selbst (er)kennt. Über welche Fähigkeiten und Kompetenzen verfüge ich?

DIE GERECHTIGKEIT BEI ARISTOTELES

Der wohl berühmteste Schüler Platons, Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), entwickelte eine von Platon recht unterschiedliche Theorie. Nicht die, wie von Platon erwähnten, eruierten Fähigkeiten und Kompetenzen eines Menschen, sind die Basis für Gerechtigkeit, sondern vielmehr ist die Gerechtigkeit vom Entwicklungsgrad des Menschen abhängig.
Der Mensch entwickelt sein Verständnis von Gerechtigkeit durch Erfahrungen und Handlungen. In seiner „Nikomachischen Ethik“ erklärt Aristoteles, dass das Leben aus Handlungen besteht, die ein bestimmtes Ziel verfolgen: das Glück (griech.: eudaimonia). Unter Glück versteht Aristoteles ein sinnerfülltes Leben (der Seele gemäß und vernunftbegabt) ohne Fremdbestimmung (Autarkie), das man einüben kann. Der Schlüssel zum Glück führt über ein tugendhaftes Handeln. Um zu verstehen, was tugendhaftes Handeln bedeutet, müssen wir uns das Wort „Tugend“ genauer ansehen. Tugend (altgriech.: areté) ist abgeleitet von taugen. Dabei geht es um die Tauglichkeit oder Tüchtigkeit bzw. Vorzüglichkeit einer Person. Wenn wir also von der Tugend der Gerechtigkeit sprechen, bedeutet das, sich in Gerechtigkeit tauglich zu machen. Das führt zur Tugend der Gerechtigkeit. Der Wert „Gerechtigkeit“ hingegen sagt nur aus, wie wichtig bzw. wertvoll mir diese ist. Wenn die Gerechtigkeit für mich einen hohen Wert besitzt, werde ich mich darin tauglich machen. Ich selbst werde mich in Gerechtigkeit üben.


Nach Aristoteles müssen die Handlungen des Menschen im Hinblick auf die Situation angemessen sein. Dies erreicht man durch vernünftiges und kluges Nachdenken. Nicht „So macht man das!“, sondern „Wie mache ich es am besten in dieser Situation?“, fasst Aristoteles als „tugendhaft“ ins Auge. Dabei hilft es, die sogenannte „Goldene Mitte“ miteinzubeziehen. Damit meint Aristoteles die Mitte zwischen zwei Extremen. Die Tugend der Tapferkeit ist demnach die Goldene Mitte (gemeint ist: nach dem Höchsten in uns ausgerichtet sein) zwischen den beiden Extremen Tollkühnheit und Feigheit. Die Tugend der Großzügigkeit ist die Goldene Mitte zwischen den beiden Extremen Verschwendung und Geiz. Im engeren Sinn bedeutet Gerechtigkeit für Aristoteles, dass jeder Mensch Gerechtigkeit als Tugend einübt und dadurch ein gutes Leben hat. Im Allgemeinen ist Gerechtigkeit für Aristoteles eine soziale Tugend, das heißt, dass das Gemeinwesen bzw. der Staat mit seiner Rechtsgebung und den Gerichten für Gerechtigkeit zuständig ist.