WER WAR ECHNATON WIRKLICH?

WER WAR ECHNATON WIRKLICH?

Echnaton

Auch in der Kunst stellte er seine neue Weltsicht zur Schau, ausgerechnet in der Stadt Karnak, der Domäne des Amun. Auf Statuen wird der König – ein völliges Novum – in androgyner Gestalt dargestellt. Er befahl den Bildhauern, einen Körper zu gestalten, der männliche und weibliche Merkmale vereinte, um auszudrücken, dass der Pharao zugleich Vater und Mutter aller Wesen ist. Das Gesicht ist bewusst
deformiert und wirkt je nach Blickwinkel lächelnd oder bedrohlich. Nicht das Individuum Echnaton wurde so dargestellt, sondern der amtierende König, der bestimmte Aspekte seiner theologischen Person in den Vordergrund rückte.

Das war jedoch nicht die einzige Veränderung für die Amun-Priester. Echnaton war nicht bereit, seine Autorität zu teilen. Er betrachtete es als seine Aufgabe, die ursprüngliche Ordnung der Dinge wieder
herzustellen, indem er bewies, dass er der einzige Herrscher über Ägypten war. Sein Ziel war es, den Priestern die Verwaltung der beträchtlichen irdischen Güter zu entziehen, die rechtmäßig der Krone gehörten.

Gründung von Achetaton (Tell el-Amarna)

Was die Hauptstadt betraf, war Theben für Echnaton nur noch eine Last, von der er sich befreien wollte. Die Religion des neuen Reichsgottes Aton verlangte einen ganz neuen Rahmen und zu seinen Ehren wollte er eine neue Stadt gründen, die von jedem vergangenen Einfluss frei war. Ab dem sechsten Regierungsjahr wurde am rechten Nilufer zwischen Memphis und Theben die neue Stadt mit dem Namen Achetaton, ,,Horizont des Aton“ für den Sonnengott errichtet (heute Tell el-Amarna oder einfach kurz Amarna genannt).

Achetaton wurde nicht aus einer willkürlichen Herrscherlaune heraus gegründet, sondern um einem persönlichen Glauben Gestalt zu verleihen. Aton war ein Gott der Liebe und des Lichts, verkörpert in der Sonnenscheibe, deren Strahlen in Leben spendenden Händen endeten. Er war die Energie, die alles Lebendige wachsen ließ und die Sonne als Ausdrucksform benutzte. Die Gebäude und Straßenzüge in Achetaton waren so konstruiert, dass das Sonnenlicht ungehindert einfallen konnte. Der große Aton-Tempel bildete das Zentrum der Stadt. Er war etwa 800 Meter lang und 300 Meter breit und unterschied sich grundlegend von den anderen Heiligtümern der 18. Dynastie:

  • keine dunklen Räume mehr, in denen die Rituale im Geheimen vollzogen wurden, sondern
  • eine Abfolge von nicht überdachten Innenhöfen, die zum großen Altar des Aton führten.
  • Zentral war eine große Stele, die Echnaton und seine Familie bei der Anbetung des Aton zeigte.

In den darauf folgenden Jahren verstärkte Echnaton die religiösen Veränderungen.

Ursprünglich war Aton der erste innerhalb einer Vielzahl von Göttern, der wichtigste unter ihnen. Die Priester aber standen im Dienst verschiedener bisheriger Götter. Echnaton versuchte, das Religionssystem zu stürzen, indem er die Namen der anderen Götter, allen voran Amun, aus den Denkmälern ausmeißeln ließ, was einer Vernichtung gleichkam. Der Plural des Wortes „Gott“ wurde gelöscht. Zu Echnatons früherem Namen gehörte auch der Bestandteil „Amenophis“. Er wurde ebenso ausgemeißelt. Der König war Atons Priester und Prophet und lehrte selbst die Religion des Aton.

Echnaton hatte nun sein Ziel erreicht, er war jetzt der einzige Mittler zwischen Göttern und Menschen, ein König mit absoluter Macht. Hintergründe und Durchführung dieser Religionspolitik bleiben jedoch unklar. Sie wurde nicht systematisch in die Tat umgesetzt und selbst in Amarna ist belegt, dass ein Teil der Bevölkerung weiterhin andere Gottheiten neben Aton verehrte.

Echnaton als „Ketzerkönig“

Neben diesen großen Aufgaben – eine neue Hauptstadt zu gründen, den Ein-Gott-Glauben als religiöse Reform einzurichten traten die übrigen Pflichten des Pharaos in den Hintergrund. Die Zusammenarbeit mit anderen Ländern wurde vernachlässigt und es wurde zu wenig militärischer Beistand für die Verbündeten geleistet. Seine Außenpolitik war katastrophal. Ein Vasalle nach dem anderen wandte sich von ihm ab. Das von Thutmosis III. regierte Reich zerfiel in kürzester Zeit.

Der Sonnengott Aton, der an die Stelle des mächtigen Amun-Re treten sollte, wurde für die Ägypter zum Symbol der Schwächung des Landes, die vermutlich mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten einherging. Dieser Zusammenhang dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Echnaton als „Ketzerkönig“ gebrandmarkt wurde. Das letzte belegte Datum aus Echnatons Zeit ist sein 17. Regierungsjahr. Über seinen Tod wissen wir nichts. Das Ende des Aton-Glaubens Amarna wurde verlassen und in der Sonnenstadt herrschte wieder die Stille der Wüste.

Die Pharaonen, die ihm unmittelbar auf den Thron folgten, ließen seinen Namen noch nicht ausmeißeln. Erst unter Ramses II., mehr als 50 Jahre nach dem Tod des „Ketzerkönigs“, wird Echnaton als „dieser Ruchlose“ bezeichnet. Die Steine des Großen Tempels zu Amarna wurden traditionsgemäß für andere Bauten weiterverwendet.

Echnaton vollzog einerseits eine religiöse Reform, die ihn zum alleinigen Vermittler zwischen Gott und den Menschen machte. Hatten davor noch alle Menschen Gott im Herzen getragen, wohnte Gott von nun an nur noch im Herzen des Königs, weshalb man ihn wie einen Gott verehren musste. Andererseits aber war es vor allem auch eine politische Reform, da nun nicht mehr Ma ‚at, die Göttin der Gerechtigkeit das Gesetz definierte, sondern einzig der König. Damit zerstörte Echnaton nicht nur die ägyptische Religion, sondern auch das Pharaonentum.

Alle Macht war in einer einzigen Person konzentriert und erstmals gibt eine Religion vor, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein. Sein Anspruch war ein totalitärer, dessen Realisierung war zum Glück nur eine kurze Episode, mit der jedoch die große 18. Dynastie und letztlich das große Ägypten zu Ende ging.

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe Nr. 121 des Magazins Abenteuer Philosophie veröffentlicht.